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Magendrehung beim Hund

Lebensbedrohliche Erkrankung

Die Magendrehung (MD) ist eine lebensbedrohliche Erkrankung
großer Hunderassen. Die Ursache und die Pathogenese der MD
sind noch nicht vollständig erforscht und geklärt. Die Überlebenschance
des Patienten hängt maßgeblich von der sofortigen
Erkennung und der rechtzeitigen Behandlung der MD ab.
Bei schneller und korrekter Behandlung einer unkomplizierten
MD ist die Mortalitätsrate gering (<3 %) und die Prognose gut.

Definition

Die Magendrehung ist ein Syndrom, bei dem es zuerst zu einer Luftansammlung (Dilatation) im Magen kommt und nachfolgend zu einer Magenverlagerung (Volvolus). Durch die starke Dilatation und Drehung des Magens wird die Dynamik des kardiovaskulären und des respiratorischen Systems eingeschränkt. Das Ergebnis ist ein Kreislaufschock mit den daraus resultierenden Folgen.

Prädisponierende Faktoren

// Meist mittelgroße bis große Hunderassen (Doggen, dt. Schäferhund etc.)

// Hunde mit tiefbrüstigem Thorax

// Ältere Hunde (> 5 J)

// Nahe Verwandte (Zucht)

// Stressanfällige Hunde in neuer Umgebung (Tierpension)

// Einmalige, große Futteraufnahme

// Bewegung nach der Futteraufnahme

Es gibt keine sichere alleinige Ursache, die das Auftreten einer MD beim Hund aus­lösen kann. Man muss von prädisponierenden Faktoren ausgehen, die die Entstehung einer MD begünstigen. Allerdings sind Hunde, die eine MD entwickeln, meist große, stressanfällige Tiere mit schmalem, tiefem Brustkorb.

Anamnese

Die typische Besitzeranamnese ist ein ­unruhiger Hund, der ein nichtproduktives Erbrechen zeigt. Oft sind die typischen Rassen betroffen. Die Symptome erscheinen wenige Stunden nach der Futter­aufnahme, der Besitzer bemerkt oft die ein- oder auch beidseitige Vorwölbung im Bauchbereich. Ohne schnelle Behandlung verschlechtert sich der Allgemeinzustand des Hundes sehr schnell.

Diagnostik

Die Hunde regurtieren oder würgen. Bei der Perkussion der Abdomenwand ist ein tympanischer Klang auskultierbar. Die weiteren Symptome wie Kreislaufschock ­(hohe Herzfrequenz, schwacher Puls, Hecheln, blasse, trockene Schleimhäute), Dyspnoe, Apathie, aufgetriebenes und gespanntes Abdomen erhärten die Diagnose Magendrehung. Der Hund muss sofort bei der Diagnose stabilisiert werden. Er muss schockinfundiert und der Magen muss dekomprimiert werden. Die Diagnose kann mit einem Röntgenbild endgültig gesichert werden. ­In Abbildung 1 (rechte Seite Röntgentisch ­anliegend) zeigt die Aufnahme einen gasgefüllten, kompartimentierten Magen.

Pathophysiologie

Die Ursache und die Pathogenese sind bei der MD noch nicht vollständig geklärt. Weitgehend ist man sich einig, dass bei der MD zuerst eine Magendilatation und erst anschließend eine Drehung entsteht, meist im Uhrzeigersinn um seine Längsachse. Dabei sind alle möglichen Drehungsgrade (bis 360°) möglich.


Abb.1: Der Hund liegt rechts lateral auf dem Röntgentisch. Typisches Röntgenbild einer Magendrehung mit gasgefülltem, kompartimentiertem Magen

Dadurch werden Kardia und Pylorus abgeschnürt, wobei die geschluckte Luft nicht mehr abgegeben werden kann. Dies wiederum führt zu ­erfolglosem Erbrechen. Der Magenausgang und das Duodenum wandern bei der MD nach dorsal und kranial und sind bei rechtsseitiger Lagerung des Patienten als kompartimentierte Luftansammlung auf dem Röntgenbild zu erkennen (Abb. 1). ­Direkte Folgen der MD können rupturierte, kurze gastrische Blutgefäße sowie Schäden an der Magenwand und Milz sein. Der Blutverlust durch die gerissenen, kurzen gastrischen Gefäße ist meist nicht lebensbedrohlich. Die Gewebeschäden an der Magenwand entstehen hauptsächlich durch die starke Magenwanddehnung und die dadurch entstehende verminderte Perfu­sion. Diese Wandnekrose begünstigt die Translokation von Bakterien und Endoto­xinen in die Blutbahn und ins Abdomen. Treten Toxine ins Blut, wird der kardiovaskuläre Schock weiter verstärkt und der ­Patient kann septisch werden. In seltenen Fällen kann ein Magen rupturieren und zu einer generalisierten Peritonitis führen.
Der dilatierte und gedrehte Magen komprimiert das Zwerchfell und die Hohlvene. Dies verhindert einen adäquaten Blutrückfluss zum Herzen und schränkt das Atemvolumen ein. Das Blut versackt in den kaudalen Abschnitten des Gefäß­systems bzw. des Körpers. Das Herzauswurfvolumen nimmt weiter ab und der Kreislaufschock verstärkt sich. Durch das verminderte Atemvolumen (respiratorische Azidose) wird die Hypoxie im Herzmuskel und in der Peripherie (metabolische Azi­dose) weiter verstärkt. Die Hypoxie im Herzmuskel und die im Kreislauf zirkulierenden Toxine führen oft zu Herzarrhythmien, die in der Elektrokardiografie (EKG) abzulesen sind. Herzarrhythmien sind die häufigsten Komplikationen (45 %). Sie können auch Stunden nach erfolgreich umgesetzter Therapie beginnen. Zudem werden myokardiale „depressant“ Faktoren durch die Ischämie im Pankreas und Gastrointestinaltrakt freigesetzt. Diese wirken negativ inotrop auf das Myokard.

Das Gehirn reagiert besonders empfindlich auf Toxine und Hypotonie. Komatös eingelieferte Hunde zeigen eine 3- bis 36-mal höhere Mortalität als Hunde mit einem normalen Bewusstsein. Metabolische Entgleisungen sind Laktatanhäufung in den peripheren minderdurchbluteten Geweben, tiefes Kalium, Hyperglykämie im frühen Kreislaufschock und Hypoglykämie im späten Kreislaufschock. Die Folgen einer MD sind unterschiedlich. Wird der Hund nicht schnellstmöglich stabilisiert und operiert, endet die Magendrehung meist mit dem Tod. Teildrehungen und spontane Rückdrehungen können in einem Stunden bis Tage dauernden Krankheitsverlauf enden.

Therapie

Die MD ist ein absoluter Notfall. Studien haben gezeigt, dass die Mortalität stark ­reduziert werden kann, wenn die MD innerhalb der ersten sechs Stunden nach Symptombeginn behandelt wird. Das Hauptproblem bei der MD ist der Kreislaufschock. Um in angemessener Zeit genügend Flüssigkeit zu verabreichen, werden zwei intravenöse Zugänge an der Vordergliedmaße (V. cephalica) oder am Hals (V. jugularis) gelegt. Danach werden Infusionslösungen in hohen Dosen (90 ml/kg Ringerlaktat als Bolus) verabreicht. Die erforderliche Menge ist nur mit Druckinfusionsbeutel und zwei Venenkathetern verabreichbar.

Die Flüssigkeitsmenge kann durch die Gabe hypertoner Lösung wie HyperHaes® reduziert werden. HyperHaes® zieht Flüssigkeit vom Gewebe zurück in das Gefäßsystem. Man empfiehlt 4ml/kg HyperHaes® über 15 Minuten mit gleichzeitiger Gabe von Ringerlaktat 90ml/kg. Als Richtlinie wird während der Operation 1ml/kg HAES und 10ml/kg Ringerlaktat empfohlen. Die Menge muss sich aber dem Kreislauf­zustand des Hundes anpassen. Weiterhin bekommt der Hund beim Eintritt Schmerzmittel (Opiate) und Antibiotika (Translokation der Bakterien, Magenwandnekrosen). Falls der Hund starke Dyspnoe zeigt, kann die Sauerstoffsättigung mit einer Sauerstoffmaske verbessert werden. Hypovolämie und Toxine führen oft zu Herzarrhythmien, deshalb sollte ein EKG aufgezeichnet werden. Die Arrhythmien können mit Lidocain oder anderen Antiarrhythmika behandelt werden. Der Nutzen von Glukokortikoiden oder Radikalfängern (Deferoxamine) ist sehr umstritten und kann, wenn überhaupt, kurz vor dem Zurückdrehen des Magens als Radikalfänger gebraucht werden; es sind jedoch mehr Nachteile in den Glukokortikoiden zu sehen, darum werden sie selten verabreicht. Nach 5-minütiger Flüssigkeitstherapie sollte der zweite Schritt der Sofortmaßnahme, die Dekompression des aufgegasten Magens, eingeleitet werden. Nach kurzer aseptischer Vorbereitung wird eine Kanüle in die seitliche tympanische Bauchwand eingestochen (Abb. 2), sodass die Luft aus dem Magen entweichen kann. Auf diese Weise werden die Spannung der Magenwand reduziert, die Atmung und der Blutfluss zum Herz sofort verbessert.


Abb.2: Seitliche Dekomprimierung eines dilatierten und gedrehten Magens: Nach einer aseptischen Hautvorbereitung wird eine Kanüle in die seitliche tympanische Bauchwand eingestochen

Diese beiden Sofortmaßnahmen (Flüssigkeitstherapie und Dekompression) verbessern das Allgemeinbefinden des Patienten rasch. Falls der erstbehandelnde Tierarzt die notwendig werdende Operation nicht selbst durchführt, stellen diese beiden Sofortmaßnahmen die Eckpfeiler der erfolgreichen weiteren Therapie dar. Röntgenbilder dürfen erst während oder nach den Sofortmaßnahmen angefertigt werden, um die Verdachtsdiagnose Magendrehung zu bestätigen. An der Operation führt aber kein Weg vorbei. Nachdem der Hund stabilisiert worden ist, kann er in Narkose gelegt werden. Auf keinen Fall sollte Lachgas ein­gesetzt werden, da sich dieses Gas in luftgefüllten Räumen akkumuliert und die Magendilatation weiter verschlechtern würde. Während und auch nach der Operation sollte ein EKG aufgezeichnet werden, da Hunde mit MD infolge von Toxinen und Myokarditis zu Extrasystolen neigen. Wird die Hämodynamik durch die Extrasystolen stark beeinflusst, sollten z.B. mit Lidocain (2mg/kg i.v. Bolus über fünf Minuten, dann eine Infusionspumpe mit 25–50mg/kg/min) behandelt werden. Nach dem ­Intubieren sollte der Magen mittels einer orogastrischen Sonde wiederholt dekomprimiert werden. Je nach Drehungsgrad ist das aber oft nicht möglich.

In sitzender Position des Hundes ist dies oft leichter möglich als in liegender Position. Vorsicht ist geboten, um Speiseröhre oder den Mangen nicht zu perforieren. Nach erfolgreichem Platzieren der Sonde im Magen können kleinere Futterbestandteile, Flüssigkeit und v.a. Luft entweichen. Die Sonde kann im Magen bleiben, um einer weiteren Aufgasung entgegenzuwirken.
In der Operation wird der Magen zurückgedreht und pexiert. Danach muss die Vitalität der Organe (v.a. Magen und Milz) beurteilt und falls nötig eine Gastrektomie und/oder Splenektomie durchgeführt werden. Um den Magen zu pexieren, gibt es verschiedene Möglichkeiten, meistens wird die inzisionale Gastropexie an der rechten Bauchwand gewählt. Sie ist schnell und ­sicher durchführbar. Die Rezidivrate ohne den Magen zu pexieren ist sehr hoch (80%–92%) und muss immer durchgeführt werden.

Prognose

Die Prognose ist abhängig vom Allgemeinzustand des Hunds bei der Einlieferung und von den intraoperativen Befunden. Späte Einlieferung (>6 h nach ersten Symptomen), schwerer Schock, komatöse Hunde, Herzrhythmus- und Gerinnungsstörungen, erhöhtes Plasmalaktat sowie eine Peritonitis verschlechtern die Prognose. Hunde mit einer präoperativen Plasmalaktat-Konzentration von <6mmol/l sollten noch keine Magenwandnekrose haben und verfügen über eine signifikant bessere Prognose. Allgemein ist die Prognose gut (3% Mortalität), wenn die Magenwand vital aussieht und nur eine Gastropexie durchgeführt werden muss. Wenn eine partielle Gastrektomie durchgeführt werden muss, steigt die Mortalitätsrate auf 9%, bei einer alleinigen Splenektomie auf 15% und bei einer Splenektomie mit partieller Gastrektomie auf 20%. Schnelle Stabilisierung und eine sofortige Operation verbessern das Überleben des Hundes deutlich.

take home

Die Magendrehung ist eine lebensbedrohliche Erkrankung meist großer Hunderassen. Die Überlebenschance des Patienten ist vom sofortigen Erkennen und der rechtzeitigen Behandlung abhängig. Bei schneller und korrekter Behandlung einer unkomplizierten Magendrehung ist die Mortalitätsrate gering (<3%) und die Prognose gut.

Literatur beim Autor

Foto: © www.istockphoto.com, Luis Alvarez
Abbildungen: Dr. Claudio Venzin

Stichwörter:
Magendrehung, Venzin, Gastropexie, Toxine, Myokarditis, Extrasystolen, Flüssigkeitstherapie, Dekompression, Arrhythmien, Lidocain, Antiarrhythmika, Dyspnoe, Translokation, Magenwandnekrosen, Gastrointestinaltrakt, metabolische Azi­dose, respiratorische Azidose, tympanischer Klang

HKP 4 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2013.
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