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Richtiger Umgang mit Endoparasitosen bei Reptilien

Gefährliche Schädlinge

Parasitenbedingte Erkrankungen sind unter den als Heimtieren gehaltenen Reptilien nach wie vor weit verbreitet. Als primäre Erreger und Auslöser akuter und chronischer Krankheiten spielen sie eine bedeutende Rolle. Neben vielen Parasitenspezies, die auch bei Säugetieren regelmäßig diagnostiziert werden, treten häufig auch solche auf, die in der gängigen Kleintierpraxis nicht alltäglich sind und in nicht spezialisierten Laboren Schwierigkeiten bei der Differenzierung bereiten können.

Wurmbefall

Ein Befall mit Helminthen ist bei nahezu allen Reptilienarten möglich. Das Risiko zu erkranken, erhöht sich bei Neuzukäufen aus ungewisser Quelle ohne vorherige parasitologische Untersuchung, bei Überbesatz und Stress. Wurmeier können mit neuen Tieren Einzug halten, wenn sie beispielsweise unter den Schuppen der Tiere haften oder mit der Nahrung in ein Gehege kommen. Klinisch zeigen sich meist unspezifische Krankheitsanzeichen. So stehen bei den Oxyuriden, Askariden, Trematoden und Cestoden Symptome wie Apathie und Abmagerung im Vordergrund. Zusätzlich entziehen die Parasiten Nährstoffe, Mineralstoffe und Vitamine, deren Mangel Häutungsprobleme, Krämpfe und Koordinationsstörungen nach sich ziehen können. Erbrechen und schleimiger, vereinzelt auch blutig-wässriger Durchfall sind erste Anzeichen einer Wurmerkrankung. In seltenen Fällen, z.B. nach massiver Aufnahme von Eiern oder infektiösen Larven, sind die adulten Stadien im Kot mit bloßem Auge sichtbar. Würmer wie Askariden und Trematoden, deren Larven in ihrem Entwicklungszyklus eine Körperwanderung vollziehen, verursachen im späteren Verlauf Organschäden mit Insuffizienz wichtiger Stoffwechselsysteme. Hämorrhagien durch die Gefäßwanderung der Larven sind möglich und können zu Anämien bis hin zum Verbluten der Reptilien führen. Bei einem Befall mit Oxyuriden, der sich nur auf den Magen-Darm-Trakt beschränkt, neigen die Tiere zusätzlich zur Abmagerung, Störungen des Kotabsatzes sowie erschwerte Atmung durch ein schmerzhaft aufgegastes Abdomen. Obstipationen und Kloaken- oder Hemipenisprolaps durch ständigen Pressreiz sind häufige Begleiterscheinungen. Gefürchtete Komplikationen sind Darmverschlüsse und Invaginationen, die zu Darmrupturen und Zoelomitiden führen können. Lungenwurminfektionen haben bei starkem Befall eine Dyspnoe zur Folge, die sich bei den meisten Arten mit erhöhter unregelmäßiger Atemfrequenz, vermehrter Schleimproduktion sowie einer Atmung mit geöffnetem Maul darstellt.

Beim Verdacht auf Endoparasiten müssen nach einer ausführlichen Anamnese die konkreten Haltungsumstände, Herkunft und Fütterung der Tiere untersucht werden. Dazu gehört auch die Untersuchung einer frischen Kotprobe beim Säuger, hier sollte Sammelkot verwendet werden, da nicht alle Parasitenstadien regelmäßig ausgeschieden werden. Lichtmikroskopisch reicht bereits die 400-fache Vergrößerung für einen ersten Überblick. Die Eier der Oxyuriden sind oval, dickschalig und meist grünbraun mit Blastomeren oder Larven, die Pole können leicht verdickt sein und konisch zulaufen. Sie zählen zu den häufigsten Parasiten bei Reptilien. Askariden hingegen bilden runde Eier mit dicker, oft gestreifter Schale, der Inhalt sind Blastomeren, selten auch Larven. Bei den Cestoden zeichnen sich die Eier durch eine runde bis ovale Gestalt aus. Sie enthalten die so genannte Onkosphäre, die verschieden geformt sein kann und einzeln, paarweise oder vierfach auftritt. Die charakteristische Sechshakenlarve ist bei den meisten Vertretern mikroskopisch in diesen Onkosphären sichtbar. Trematodeneier sind oval bis rund mit dünner Schale, die am verdickten Polende ein Operculum (Deckel) aufweisen, im Inneren befindet sich das Miracidium. Auch in den ovalen Eiern der Pentastomiden ist bereits eine Larve ausgebildet. Die durchschnittliche Größe aller relevanten Wurmeier liegt bei circa 60 – 150 ?m x 30 – 50 ?m.

Befall mit einzelligen Parasiten

Zu den bei Reptilien relevanten einzelligen Parasiten zählen die Kokzidien sowie die Kryptosporidien und die Amöben. Als eine häufig bei Agamen, Geckos und Chamäleons vorkommende Kokzidienspezies spielen Isospora spp. eher bei Jungtieren eine Rolle. Adulte Tiere fungieren als Träger, so kann selbst bei unauffälligen Tieren eine Gefahr für Nachzuchten und Neubesatz bestehen. Erste Krankheitsnzeichen sind Abmagerung und Dehydratation, sichtbar an eingefallenen Augen, faltiger Haut und trockenen Schleimhäuten. Im späteren Verlauf sistiert die Verdauung vollständig, eine mangelnde Durchblutung lebenswichtiger Organe führt im Endstadium zur Insuffizienz von Niere und Herzkreislaufsystem. Der Verlust des Fettdepots bei Geckos und eine Umfangsvermehrung der Magenregion der Kornnatter liefern bereits erste Indizien für die Diagnose der Kryptosporidiose. Oft gehen diese äußerlichen Symptome mit Regurgitieren und Durchfall einher. Die Krankheit schreitet rasch voran und eine Therapie hat nur bei sofortiger Vorstellung und gezielter Diagnostik Erfolgsaussichten. Zentralnervöse Ausfallserscheinungen und wässrig-blutiger Durchfall treten vermehrt bei Amöbiasis auf. Als Besonderheit einer Hexamiteninfektion zeigen sich im Endstadium der Erkrankung Nierenprobleme. Gicht sowie eine Panzererweichung bei Schildkröten sind schwer wiegende Begleiterscheinungen. Diagnostisch liefert eine frische Kotprobe im Nativausstrich oder in der Flotation eindeutige Ergebnisse. Es zeigen sich die typischen runden bis ovalen Kokzidienoozysten mit symmetrischer Schale. Sie enthalten bei den meisten Spezies, z.B. bei Isospora amphibolura, zwei Sporozysten mit vier Sporozoiten.

Mit durchschnittlich 20 – 40 ?m x 20 – 30 ?m sind Kokzidien deutlich kleiner als Wurmeier. Ein lichtmikroskopischer Nachweis von vier Kernen in der runden hellen Zyste ist typisch für Entamoeba invadens, wogegen apathogene Arten nur zwei Kerne beinhalten. Kryptosporidien werden erst nach einer Färbung mit Karbolfuchsin als runde, leuchtend weiße Strukturen sichtbar. Eine Differenzierung der Spezies ist nur mittels Koproantigen-Elisa oder PCR/Sequenzierung möglich. Bei einem Befall mit Hexamiten liefert eine Harnprobe erste Hinweise auf eine Infektion. Der geringe, sonst klare wässrige Anteil ist dann fadenziehend, trüb bis rötlich und deutlich vermehrt. Im warmen Nativpräparat aus Harn oder einem Kloakenabstrich sind runde, sich gezielt gradlinig bewegliche Parasiten zu sehen. Ungezielt bewegliche Einzeller die Flagellaten sind nur bei massivem Befall pathogen. Differenziert werden kann dies erst im Lichtmikroskop nach einer Methanolfixierung und Giemsafärbung, für die Behandlung ist dies jedoch nicht essenziell. Das Standardmedikament wird bei allen Vertretern verwendet.

Die richtige Diagnose

Eine parasitologische Untersuchung sollte zu jedem Routinecheck in der Reptilienpraxis gehören und nicht nur bei Symptomen einer parasitären Erkrankung durchgeführt werden. Geeignete Verfahren sind die Flotation in Kombination mit einem Nativpräparat, die dann mikroskopisch untersucht wird. Der Kot sollte möglichst frisch, im Idealfall nicht älter als 24 Stunden und noch feucht sein, damit sich auch Einzeller im Nativpräparat gut erkennen lassen. Die meisten parasitären Stadien werden intermittierend ausgeschieden. So ist eine einzige negative Kotprobe nie zu 100 % aussagekräftig. Stattdessen gibt eine Sammelkotprobe über mehrere Tage oder aus mehreren Kotproben ein spezifischeres Bild. Sollte ein Befall mit Hexamita ssp. festgestellt werden, ist es außerdem sinnvoll, in einem Blutbild die Nierenwerte des Patienten zu überprüfen, da der Parasit die Eigenschaft besitzt, das Nierengewebe zu schädigen.

Behandlung

Von prophylaktischen „Wurmkuren“ ist beim Reptil grundsätzlich abzuraten, wenn allerdings reptilienpathogene Endoparasiten diagnostiziert werden, sind diese immer mit einem geeigneten Medikament zu behandeln. Es gibt keine für diese Tierarten speziell zugelassenen Medikamente, sodass diese umgewidmet werden müssen. Dabei sind die Verträglichkeit und richtige Dosierung zu beachten. Diese darf keinesfalls von der Anwendung beim Säugetier abgeleitet werden. Die spezielle Stoffwechsellage der Reptilien und wechselnde Verträglichkeiten der einzelnen Spezies bis hin zu letalen Unverträglichkeiten haben zahlreiche Einschränkungen zur Folge.
Eine Behandlung kann nur an ausreichend „warmen“ Tieren mit einem optimal arbeitenden Stoffwechsel erfolgen, eine Kumulation von Wirkstoffen durch verlangsamten Abbau führt zu Organschäden. Die Eingabe der zumeist flüssigen Präparate kann Probleme bereiten, so muss darauf geachtet werden, dass die Tiere das Medikament nicht regurgitieren. Hilfreich hierfür ist eine Knopfsonde oder Schlundsonde direkt in den Ösophagus oder Magen. Schildkröten sollten ein Medikament nur mit vorgelagertem Kopf bekommen, um die Gefahr einer Regurgitation und Perforation der Schleimhaut bei Abwehrbewegungen zu vermeiden. Der Schnabel dieser Tiere ist sehr scharfkantig und die enorme Beißkraft befähigt sie, diverse Plastikschläuche einfach durchzubeißen. Das kann jedoch durch ein Blockieren der Maulspalte verhindert werden. Während der Behandlungszeit sollten die Tiere in einem Quarantäneterrarium untergebracht werden, das entsprechend der Spezies eine geeignete Temperatur und Luftfeuchtigkeit haben sollte, ansonsten aber so rein wie möglich sein sollte.

Als Bodengrund eignet sich Zeitungspapier, das täglich gewechselt werden sollte. Als Versteckmöglichkeit können Höhlen aus Pappkartons angeboten werden. Alle Partnertiere aus einem Terrarium müssen immer mit behandelt werden. Ungefähr eine Woche nach der letzten Medikamentengabe sollte eine Nachkontrolle stattfinden. Ist diese negativ, können die Tiere aus der Quarantäne entlassen werden. Auch eventuelle durch Parasiten verursachte Sekundärerkrankungen müssen adäquat mit behandelt werden. Während der Quarantänezeit muss das Terrarium komplett saniert werden. Besonders wichtig ist die gründliche mechanische Reinigung des Terrariums sowie aller Einrichtungsgegenstände. Oftmals ist der Einsatz von Desinfektionsmitteln nicht zwingend notwendig. Stattdessen erzielt die Hitzebehandlung, z.B. im Backofen bei 60 – 100 °C sowie heißes Wasser mit Detergens als Reinigungsmittel eine gute Wirkung bei den meisten Parasiten. Der Bodengrund sollte ausgetauscht werden. In rezidivierenden Fällen sollten kresolhaltige Desinfektionsmittel, wie z.B. Neopredisan© angewendet werden, diese müssen nach der Einwirkzeit rückstandslos von allen Oberflächen wieder abgewaschen werden, weil sie für die Tiere toxisch sein können.

Prophylaxe

Die Prophylaxe parasitärer Erkrankungen ist sehr wichtig. Deshalb sollten Reptilien zweimal im Jahr routinemäßig untersucht werden, sodass Parasitosen rechtzeitig erkannt werden können, bevor die Tiere klinisch auffällig werden. Um das Terrarium und gegebenenfalls den schon vorhandenen Tierbestand möglichst parasitenfrei zu halten, sollten neu erworbene Tiere vorerst im Quarantäneterrarium gehalten werden. Denn einmal eingeschleppte Parasiten sind sehr aufwändig zu eliminieren. Eine Quarantänedauer von drei Monaten, in der alle vier Wochen eine Kotprobe auf Parasitenstadien, bei empfänglichen Arten auch auf Kryptosporidien, untersucht wird, ist ein sicherer Zeitraum zum Ausschluss eines Parasitenbefalls. Oftmals erkennt der Besitzer die Symptome einer durch Parasiten verursachten Erkrankung verhältnismäßig spät, da es einiger Erfahrung bzw. einer guten tierärztlichen Aufklärung benötigt, die unspezifischen Symptome zu deuten. So kommt es häufig vor, dass die Patienten sehr spät in der Praxis vorgestellt werden, wodurch sich die Prognose meist deutlich verschlechtert oder der Tod des Tieres bereits bevorsteht. Oft ist es ausreichend für die Routineuntersuchung, eine Sammelkotprobe in der Tierarztpraxis abzugeben, vorausgesetzt, das Tier scheint gesund. Bei Arten, die eine Winterruhe halten, sollte die parasitologische Untersuchung einige Wochen vor der Winterruhe erfolgen. Im positiven Fall müssen Parasiten vor der Hibernation unbedingt behandelt werden, denn es ist sehr riskant, Reptilien mit einem Parasitenbefall einzuwintern, da aufgrund der reduzierten Stoffwechsellage Schäden an Organen entstehen können. Eine häufige Folge hiervon ist eine Sepsis, die nicht selten den Tod des Tieres nach sich zieht.

take home

Ein Befall mit Parasiten ist bei den als Heimtieren gehaltenen Reptilien sehr häufig. Zweimal im Jahr sollte eine Routinekontrolle mittels einer frischen Kotprobe geschehen. Reptilienpathogene Parasiten müssen nach der Diagnose behandelt werden. Die Sanierung des Terrariums zur Verhinderung einer Reinfektion ist dabei ein absolutes Muss. Von einer prophylaktischen „Entwurmung“ ist abzuraten. Neuzugänge müssen zunächst immer in Quarantäne gehalten werden, um eine Infektion auszuschließen. Vor der Winterruhe müssen die Reptilien frei von Parasiten sein.

- Literatur bei den Autorinnen -

Foto: © Svenja Funcke

HKP 2 / 2013

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2013.
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Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.