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Sicherung der Tränkwasserqualität in der Hähnchenhaltung

Wasser marsch

Nach der Einstallung nehmen Küken ca. 30ml Wasser am Tag zu sich, gegen Ende der Mastperiode können es 300–350ml sein. Wasser dient dem Hähnchen als wichtigstes Futtermittel und übernimmt im Organismus entscheidende Aufgaben. Es dient der Thermoregulation, ist an der Bildung von Körperflüssigkeiten beteiligt und für den Ablauf von Stoff- wechselvorgängen sowie die Ausscheidung von Stoffwechselprodukten unentbehrlich.

Bei den zurzeit üblichen Herdengrößen versteht es sich von selbst, dass Wasser den Tieren in einwandfreier Qualität und Menge zur Verfügung stehen muss, um die Tiergesundheit zu erhalten und gute Leistungen zu erzielen. Die meisten Tierhalter sind daher bemüht, Stadtwasser oder Wasser aus einem hofeigenen Brunnen mit hoher Qualität für ihre Tiere als Ausgangsquelle zu verwenden. Die Qualität der Quelle ist bei routinemäßigen Probenahmen fast immer einwandfrei. Die Probleme beginnen im Leitungssystem. Durch den ständigen retrograden Keimeintrag in das Leitungssystem über die Tränkenippel kommt es zur Bildung eines so genannten Biofilms an der Innenwand der Tränkeleitungen. Solche Biofilme sind komplexe Lebensgemeinschaften verschiedener Mikroorganismen, die in extrazelluläre polymere Substanzen (EPS) eingebettet sind. Es bilden sich somit Flocken, Beläge oder sogar Schlämme an den Grenzflächen zwischen Wasser und dem entsprechenden festen Medium. Die zusätzliche Besiedlung des Biofilms mit pathogenen Infektionserregern kann zu einem, mehr und mehr die Tiergesundheit beeinflussendem, Hygienemangel führen. Neben geflügelpathogenen Escherichia coli Erregern werden häufig Enterococcus spp. im Zusammenhang mit klinischer Problematik im Tränkwasser nachgewiesen werden. Des Weiteren besteht eine Vektorfunktion für Zoonoseerreger wie Salmonellen spp. und Campylobacter spp.

Wassercheck – Analyse der mikrobiologischen Tränkwasserqualität

Auch bei zunächst nicht offensichtlichen Problemen sollte ein- bis zweimal jährlich eine Routineuntersuchung der mikrobiologischen Tränkwasserqualität in den Leitungen erfolgen (Tab.1). Hierbei empfiehlt sich die Untersuchung in einem akkreditierten Labor. Zur Bewertung wird in der Regel der Orientierungsrahmen zur futtermittelrechtlichen Bewertung der hygienischen Qualität von Tränkwasser des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz verwendet. Dieser beschreibt die wesentlichen Anforderungen an die Qualität von Tränkwasser und beinhaltet generell groß­zügigere Richtwerte als die Trinkwasserverordnung, denn diese regelt allein den Einsatz von Wasser, das für den menschlichen Gebrauch bestimmt ist. Eine nicht der Trinkwasserverordnung entsprechende Qualität des Leitungswassers ist also nicht unbedingt ein Nachteil für die Tiergesundheit. Der Befund kann gleichzeitig bei der weit verbreiteten QS-Zertifizierung des Betriebes als Beleg für das geforderte „saubere, ungetrübte und ohne Fremdgeruch“ zur Verfügung gestellte Wasser genutzt werden. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass jede Wasserprobe nur eine Momentaufnahme darstellen kann. Durch sich ständig vom Biofilm lösende Bestandteile kann die Keimbelastung in der Probe stark schwanken. Nichtsdestotrotz spricht ein schlechtes Ergebnis der Probe in der Regel für mangelnde Leitungshygiene.


Tab.1 Wasserprobenentnahme

Wichtiger Transporter

Hohe Wasserqualität stellt besonders in der Geflügelmedizin eine besondere Herausforderung dar, da die meisten Impfstoffe, Arzneimittel und Ergänzungsfuttermittel ausschließlich über das Wasserleitungssystem verabreicht werden. Durch ungenügende Wasserqualität und Biofilme in den Leitungen kann es zu mangelndem Therapieerfolg und Arzneimittelablagerungen im Leitungssystem kommen. Verlängerungen der Wartezeiten und Bildung von Resis­tenzen wären somit denkbar. Das Problem ist bekannt. 2009 wurde daher vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz im Rahmen einer Arbeitsgruppe ein Leitfaden zur oralen Anwendung von Tierarzneimitteln im Nutztierbereich über das Trinkwasser verfasst. Dieser sieht u.a. regelmäßige Reinigungs- und Desinfektionsmaßnahmen nach jeder Behandlung mit Arzneimitteln vor. Bei ­andauernder Gesundheitsproblematik im Bestand und mangelndem Therapieerfolg trotz entsprechenden Resistenztests des nachgewiesenen Erregers, muss somit auch immer an Probleme mit dem Impfstoff- und Arzneimitteltransport zum Tier gedacht werden. Die Entnahme von Wasserproben sollte in diesen Fällen zur routinemäßigen Bestanddiagnostik gehören, um Hygienemängel zu beseitigen.

Gute Voraussetzungen schaffen

Bevor die Küken in den vorbereiteten Stall gebracht werden, ist eine entsprechende Leitungshygiene empfehlenswert. Hierdurch kann dem empfindlichen Küken Wasser mit guter Qualität zur Verfügung gestellt werden. Häufig vernachlässigt wird dabei eine, der Desinfektion vorrausgehende, Reinigung mit alkalischen Reinigern, um den so genannten Eiweißfehler bei der späteren Desinfektion zu vermeiden. Ohne Reinigung funktioniert die Desinfektion bekanntlich mehr schlecht als recht. Alkalische Reiniger verbleiben zwei bis vier Stunden in den Leitungen und werden anschließend ausgespült. Erst dann empfiehlt sich die 24-stündige Desinfektion mit 12%iger Natrium­hypochloridlösung. Vor der Ankunft der Küken erfolgt das gründliche Ausspülen mit Wasser.

Immer wieder …

Durch die erforderlichen hohen Stalltemperaturen und die niedrige Durchflussrate zu Beginn der Mastperiode sind schnell ideale Bedingungen für mikrobielles Wachstum geschaffen. Zusätzliche Vitamin- und Mineralstoffgaben oder eventuell erforderliche Arzneimittelgaben führen zusammen mit den mikrobiellen Belastungen letztendlich immer wieder zur Biofilmbildung in den ­Leitungen. Daher sind auch während des Durchgangs immer wieder entsprechende Hygienemaßnahmen erforderlich. Es em­pfiehlt sich in jedem Falle vor und nach jeder Behandlung, aber mindestens einmal in der Woche, die Leitungen zu desinfizieren. Hierzu gibt es mittlerweile zahlreiche chemische und physikalische Verfahren (Tab.2). Der Einsatz organischer Säure­gemische ist in der Praxis weit verbreitet. Durch die verschiedenen Säurestabilitäten und Hauptwirkungsorte im Magen-Darm-Trakt soll jedoch in erste Linie die Proteinverdauung gefördert werden. Der Biofilm wird in der Regel nur angegriffen und nicht eliminiert. Bessere Wirkung zeigt hierbei der Einsatz von Kaliumperoxomonosulfat. Das Wirkungs­spektrum gilt als sehr breit und umfasst auch die Desinfektion von Viren. In Verbindung mit Wasser entsteht eine rötliche, die ca. fünft bis sieben Tage nach Anrühren stabil ist. Kaliumperoxomonosulfat ist biologisch abbaubar und nicht reizend.


Tab.2 Überblick: Möglichkeiten zur Durchführung der Leitungshygiene im belegten Stall

Am weitesten verbreitet im Mastgeflügelbereich ist jedoch sicherlich der Einsatz von so genannter Chlorbleichlauge (Natriumhypochloridlösung 12%). Die Kanister sind jedoch verschlossen aufzubewahren und vorsichtig zu handhaben. Die Bildung von toxischen chlororganischen Nebenprodukten ist bei ständigem Kontakt als bedenklich einzustufen. Bei Zuleitungen zwischen Dosierer und Stallbereich, die nicht aus Kunststoff bestehen, kann sich auf Dauer eine korrosive Wirkung einstellen.

Seit einigen Jahren nimmt auch der Einsatz von Dauerdesinfektionsverfahren in der Hähnchenmast zu. Hierzu gehört der Einsatz von Chlordioxid, elektromagnetischen Pulsfrequenzanlagen und die Verwendung von elektrochemisch aktiviertem (ECA) Wasser. Chordioxid wird vor Ort aus mehreren Komponenten hergestellt und direkt über einen Dosierer zum Tränkwasser zudosiert. Es entstehen im Vergleich zu anderen Chlorverbindungen keine toxischen Nebenprodukte. Allein bei stark eisen- und manganhaltigem Wasser ist mit einem Wirkungsverlust zu rechnen und entsprechende Aufbereitungsanlagen sollten vorgeschaltet sein. Eine weitere Möglichkeit, um die Bildung von Biofilmen dauerhaft zu verhindern, ist der Einbau eines elektromagnetisch wirksamen Gerätes im Stallvorraum. Elektromagnetische Wellen halten durch festgelegte Pulsfrequenzen die Wassermoleküle in Bewegung. Wasserinhaltsstoffe werden gebunden und sind dadurch nicht in der Lage, sich an der Leitungswand anzuheften. Die Herstellung von elektrochemisch aktiviertem Wasser basiert auf der Elektrolyse einer Kochsalzlösung, durch die eine saure und eine basische Lösung entstehen, die im folgenden Schritt bis zu einem pH zwischen 6 und 7,5 zusammengeführt werden. Letztendlich ist das Produkt fast pH-neutral und beinhaltet verschiedene noch reaktive Produkte wie Natriumhypochlorid, Chlor­dioxid, Sauerstoffradikale u.v.a. Mikrobielle Substanz soll somit im pH-neutralen Bereich angegriffen werden, ohne Einfluss auf Leitungssystem und Hähnchen zu nehmen. Durch den dauerhaften Einsatz wird die Bildung eines Biofilmes von Beginn an verhindert.

take home

Wasser gilt als wichtiger Faktor zur ­Gewährleistung der Tiergesundheit. Seine Qualität spielt besonders in der Geflügelmedizin eine wichtige Rolle. Bei wiederholtem Auftreten von Gesundheitsproblemen sollte daher die Wasserprobe immer mit in die Bestandsdiagnostik aufgenommen werden, um auf eventuelle Mängel einzugehen und den Arzneimitteltransport bis zum Tier zu gewährleisten.

Zu beachten ist daher in der Praxis, dass nicht nur die Betriebsquelle eine ausreichende Wasserqualität nachweist, sondern diese auch bis zum ­Ende des Mastdurchganges gewährleistet werden sollte.

Foto: © panthermedia.net, Marina5

Stichwörter:
mikrobiologischen Tränkwasserqualität, Impfstoffe, Tiergesundheit, Magen-Darm-Trakt, Proteinverdauung,

HKP 2 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 2 / 2014.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.