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Durchfall beim Pferd

Lebensbedrohliche Erkrankung oder harmlose Verdauungsstörung?

Diarrhö stellt beim Pferd immer ein Alarmsignal dar, da Durchfallerkrankungen schnell dramatisch verlaufen und tödlich enden können. Oft ist ein schnelles therapeutisches Eingreifen gefordert, wobei gerade bei akuten Fällen die Behandlung überwiegend symptomatisch verläuft. Als Ursache kommen sowohl infektiöse als auch nicht infektiöse Faktoren infrage.

Definition Durchfall

Durchfall ist eine symptomatische Diagnose und definiert ein erhöhtes Kotvolumen, bedingt durch einen gesteigerten Flüssigkeitsgehalt des Kotes. Des Weiteren ist Durchfall über eine erhöhte Kot absatzfrequenz gekennzeichnet [1]. Speziell beim erwachsenen Pferd ist die Ursache für Durchfall überwiegend im Dickdarm lokalisiert, da Dünndarm erkrankungen durch die Resorptionsleistung des Dickdarms weitgehend kompensiert werden. Vom Durchfall klar abzugrenzen ist freies Kotwasser, das symptomatisch den getrennten Absatz von meist geformten Pferdeäpfeln und braunschwarzer Flüssigkeit beschreibt [2].

Differenzialdiagnosen zu akuter Diarrhö

Differenzialdiagnostisch kommen für akute Diarrhö beim erwachsenen Pferd als in - fek tiöse Ur sachen vor allem Salmonellen, Clostridium perfringens Typ A, Clostridium difficile und kleine Strongyliden infrage. Als nicht infektiöse Auslöser sind in erster Linie eine Toxizität nichtsteroidaler Antiphlogistika (NSAIDs), eine antibiotikaassoziierte Diarrhö, eine Kohlenhydratüberladung, eine übermäßige Aufnahme von Sand und seltener Vergiftungen (z.B. Arsen) in Betracht zu ziehen.

Differenzialdiagnosen zu chronischer Diarrhö

Infektiöse Ursachen für chronische Diarrhö können eine chronische Salmonellose oder auch ein chronischer Endoparasitenbefall sein. Als nichtinfektiöse Ursache kommt eine Infiltration der Darmwand mit Entzündungszellen in Betracht. Bei dieser auch als Inflammatory Bowel Disease (IBD) bezeichneten chronischen Enteritis wird – in Abhängigkeit von dem in der Darmwand vorherrschenden Entzündungszelltyp – beim Pferd zwischen einer eosinophilen, einer lymphoplasmazellulären, einer granulomatösen und einer gemischten Form unterschieden [3]. Bei der intestinalen Form des malignen Lymphoms kann es durch diffuse Infiltration der Darmwand mit neoplastischen Lymphozyten zu Malabsorption und Durchfall kommen [4]. Alimentär bedingt kann Sand wie auch eine abnorme Fermentation der Nahrung zu chronischem Durchfall führen. Des Weiteren kommen eine chronische Peritonitis wie auch intraabdominale Abszesse ursächlich infrage.

Anamnese

Bereits durch den Vorbericht können entscheidende Hinweise auf die Ursachen für Durchfall gewonnen werden. So spielt das Alter eine ausschlaggebende Rolle, da z.B. eine virusbedingte Diarrhoe (z.B. Rota-, Coronaviren) ausschließlich bei Fohlen auftritt. Ebenso fallen die Fohlenrosse-Diarrhö sowie eine Rhodococcus equi- assoziierte Diarrhö in die ersten Lebensmonate eines Fohlens. Schwere Auswirkungen einer larvalen Cyathostominose treten vor allem bei jüngeren Pferden bis 4 Jahre auf. Auch die proliferative Enteropathie, hervorgerufen durch Lawsonia intracellularis, ist eine typische Jungtiererkrankung. Alimentär bedingter Durchfall kann durch eine Futterumstellung, die Aufnahme von Sand, durch übermäßiges Lecken am Salzleckstein oder eine vermehrte Wasseraufnahme (Wasserspiele, psychogene Polydipsie) erklärt werden. Eine (längerfristige) Behandlung mit NSAIDs v.a. Phenylbutazon und/oder Antibiotika sollte in jedem Fall abgeklärt werden, da beide eine Enteritis auslösen können. Zudem kommt jede Form von Stress als Ursache für Durchfall infrage. Es sind subakute, akute und chronische Verlaufsformen bei Durchfallerkrankungen zu unterscheiden. Eine „chronische Enteritis“ verläuft i.d.R. schleichend mit Gewichtsabnahme und wechselndem Durchfall, führt aber meist nicht zu Störungen im Flüssigkeits- oder Elektrolythaushalt. Akute Koli tiden gehen dagegen meist mit deutlichen Imbalancen im Wasser-, Elektrolyt-, Säure- Basen- sowie im Energiehaushalt einher.

Pathomechanismen

Zu den möglichen Pathomechanismen einer Diarrhö gehören Malabsorption, gesteigerte Sekretion, verkürzte Transitzeit sowie osmotisch und onkotisch wirksame Vorgänge. Häufig kommt es zu einem Zusammenspiel mehrerer Mechanismen, wobei die Entzündung oft die zentrale Rolle dabei spielt.

Diagnostik

Die Symptomatik bei Durchfallerkrankungen weist eine hohe Variabilität auf und ist zur Aufdeckung der Ätiologie wenig hilfreich. Das Allgemeinbefinden kann je nach Auslöser ungestört bis hochgradig gestört sein. Bei akuten Kolitiden treten meist Fieber, toxisch gerötete und verwaschene Schleimhäute sowie starke Kreislaufveränderungen auf. Initial zeigen betroffene Pferde dabei oft deutliche Koliksymptome. Diese Patienten sind häufig nicht von einem Pferd mit mechanischem Ileus zu unterscheiden. Auf die Kolik folgen bei einer Kolitis oft eher apathische Zustände. Bei perakut verlaufenden (Typhlo-) Kolitiden sind häufig Todesfälle zu verzeichnen, noch bevor Durchfall zu beobachten ist.

Laboruntersuchungen

// Blut
Bei akuten Darmentzündungen ist typischerweise eine hochgradige Leukopenie mit Neutropenie zu beobachten. Durch starke Flüssigkeitsverluste kommt es bei der akuten Form zu einer Hämokonzentration. Diese Dehydratation kann eine prärenale Azotämie hervorrufen. Säure-Basen-Imbalancen (metabolische Azidose) und Elektrolytstören (v. a. Verlust an Kalium und Kalzium) sind häufige Folgen bei akuter Diarrhö. Eine Hypoproteinämie mit Hypal- buminämie kennzeichnet bei akuten wie chronischen Verläufen den Eiweißverlust bzw. die mangelnde Aufnahme über den Darm. Bei chronischer Diarrhö weist eine Erhöhung der ß1-Globuline bei gleichzeitiger Erniedrigung des Albumins in der Serumelektrophorese auf eine larvale Cyathostominose hin.

// Kot
Für einen sicheren Nachweis von Salmonellen sollten drei bis fünf Kotproben im Abstand von einem Tag bakteriologisch untersucht werden. Der Nachweis von Clostridien aus Kotproben erfordert eine anaerobe Anzüchtung. Auch bei der Probenentnahme und dem Transport sollten anaerobe Bedingungen gewährleisten sein. Eine parasitologische Kotuntersuchung kann zur Aufklärung der Ätiologie beitragen. Teils können bei einer larvalen Cyathostominose bereits makroskopisch Strongylidenlarven im Kot festgestellt werden. Durch eine Kotaufschwemmung mittels Wasser in einem Rektalhandschuh kann eine Belastung des Magen-Darm- Traktes mit Sand einfach fest- gestellt werden.

Weiterführende Diagnostik

Durch die rektale Untersuchung können verdickte, fleischige Darmwände oder vergrößerte Lymphknoten festgestellt werden und Aufschluss über eine mögliche entzündliche oder neoplastische Ursache geben. Mithilfe eines transkutanen Bauchultraschalls (Abb.) lässt sich die Dicke der Darmwände bestimmen. Werte von >0,5 cm sind als pathologisch verändert zu bewerten [5]. Die vermehrte Ansammlung von freier Flüssigkeit in der Bauchhöhle kann durch entzündliche Veränderungen im Sinn einer Peritonitis oder durch eine Hypalbuminämie mit Verringerung des kolloidosmotischen Druckes verursacht sein. Ein Bauchpunktat kann hilfreich sein, um eine entzündliche Veränderung in der Bauch- höhle zu differenzieren. Die endoskopische Untersuchung von Magen und proximalem Duodenum kann Hinweise auf eine Neoplasie oder Ulzerationen liefern. Absorptionstests werden bei chronischem Durchfall mit Gewichtsverlust eingesetzt, um die Absorptionsfähigkeit des Dünndarms zu untersuchen. Hierfür stehen der Xylose- und der Glukoseabsorptionstest zur Verfügung. Die histopathologische Untersuchung einer Darmwandbiopsie liefert bei der IBD Aufschluss über den vorherrschenden Entzündungszelltyp und somit die Prognose. Der Nachweis gelingt in einigen Fällen minimalinvasiv aus Rektumschleimhautbiopsien, wird jedoch überwiegend durch chirurgisch gewonnene Vollwand- biopsien erbracht [3]. Eine Laparoskopie oder eine Probelaparotomie wird meist als letzte diagnostische Instanz zur Abklärung von unklarem Durchfall eingesetzt.

Therapie

Bei akuten Durchfallerkrankungen steht in der Regel eine symptomatische Therapie zur Rehydratation mit kristalloiden Lösungen (Kochsalzlösung, Ringer) im Vordergrund. Für einen stabilen intravasalen Volumenersatz kommen synthetische Kolloide wie Hydroxyethylstärke oder natürliches Plasma (5 –10 ml /kg am Tag) zum Einsatz. Der Ausgleich von Elektrolyten (v.a. Kalium und Kalzium) sollte vor dem Ausgleich des Säure-Basen-Haushaltes erfolgen. Eine Lidocain-Dauertropfinfusion (Bolus 1,3 mg / kg, DTI 0,05 mg /kg /min) wird aufgrund ihrer überzeugenden antientzündlichen Effekte an der Darmwand zunehmend häufiger zur Behandlung von Enteritiden eingesetzt. Bei einem Verdacht auf Clostridien ist eine Therapie mit Metronidazol (15 mg / kg alle acht Stunden) über drei bis fünf Tage angezeigt. Als Schleimhautprotektiva können Psyllium, Leinsamen, Sucralfat oder Misoprostol verabreicht werden. Das larvizide Moxidectin (400 ?g /kg) hat sich bei der Therapie der larvalen Cyathostominose als vorteilhaft gegenüber einer Entwurmung mit Fenbendazol (7,5 –10 mg / kg über fünf Tage) erwiesen, da dabei weniger Entzündungsreaktionen an der Darmwand zu verzeichnen waren [6]. Die Therapie der IBD stützt sich auf eine Langzeitbehandlung mit Glukokor tikoiden. Dabei werden Prednisolon- (1–2mg / kg am Tag) oder Dexametha sontabletten (0,05 – 0,1mg/kg alle 24 – 48 Stunden) über mindestens 3 Monate eingesetzt [3].

Literatur bei der Autorin

Foto: © Dr. Carolin Ehrmann

HKP 8 / 2012

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 8 / 2012.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
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