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Interview mit Karsten Arnold über die aktuelle Debatte um den Wolf

Faszination und Mythos Isegrim

Der Wolf ist wieder zurück in Deutschland. Seit 1998, als erstmals wieder zwei frei lebende Wölfe auf dem Truppenübungsplatz Oberlausitz in Sachsen gesichtet wurden, hat sich die Population auf ca. 360 Tiere erhöht. Isegrim hat es dennoch nicht leicht, seine Rückkehr stößt auf viele Vorbehalte. Wir haben dafür mit Karsten Arnold, ehrenamtlicher Mitarbeiter des SAVE Wildlife Conservation Fund und ehrenamtlicher Projektleiter „Der Wolf im ­Unteren Odertal“, gesprochen.

Herr Arnold, wie sind Sie dazu gekommen, Wolfsschützer zu werden? Wann und wie fing alles an?

Ich komme eigentlich aus der Tiermedizin, speziell Equiden und Caniden – also Pferde und hundeartige Tiere. Habe mich dann aber der Verhaltensforschung und Tierpsychologie zugewandt. Seit einer schweren chronischen Erkrankung bin ich nur noch ehrenamtlich und gemeinnützig tätig, wenn es die Gesundheit ge­stattet. Eigentlich war es ein Projekt zur Erfassung der Tierpopulation im Bereich des Inter­nationalparks Unteres Odertal, das uns auf ein neu entstehendes Wolfsrudel stoßen ließ.

Warum engagieren Sie sich für den Naturschutz und insbesondere für den Wolfsschutz?

Die Arbeit in der freien Natur mit Tieren ist das Größte, das es gibt. Balsam für die Seele – auch wenn man körperlich indisponiert ist. Wir hatten zwei Jahre zuvor schon den Wildbestand im Unteren Odertal erfasst. Also bot es sich an, die Studie zum Wolfsrevier in Interaktion mit dem Wildbestand zu setzen. Wir möchten endlich mit dem Ammenmärchen aufräumen, dass der Wolf das Wild wegfressen und der Wildbestand vor Angst in die Stadt flüchten würde. Unsere Studie läuft erst seit Anfang des Jahres und doch können wir schon ganz klar sagen, dass der Wildbestand sein Verhalten im Wolfsrevier kaum ändert. Allein die Jagdsaison hat Einfluss auf die Verhaltensweisen der Waldbewohner.

Warum gerade die Spezies Wolf?

Ich finde, dass der Wolf eines der intelligentesten und vor allem sozialsten Wesen der Natur ist. So lernfähig und selbstbewusst und doch in seiner Familie liebevoll und fair. Es ist ein Privileg, diese Tiere in freier Wildbahn studieren zu dürfen. Denn die Verhaltensweisen unterscheiden sich explizit von Gehegewölfen. Auch ist eine andere Verhaltensweise im Gegensatz zu Tieren in abgelegenen Gegenden wie Alaska oder Sibirien zu beobachten. Erstaunlich gut passt sich der Wolf den Gegebenheiten der kultivierten Landschaft Mitteleuropas an.

Was ist Ihre Meinung zur aktuellen Debatte um den Wolf?

Die gegenwärtige Berichterstattung zum Thema Wolf beobachte ich mit Sorge. Ich empfinde Wölfe nicht wirklich für auffällig, die jung die große Welt erkunden und dabei auf Orte stoßen, wo Menschen leben. Schließlich baut der Mensch ja alles zu. Vielmehr sehe ich das Geschehen um die öffentliche Meinung als kritisch an. Es grenzt an eine Hetzjagd auf ein Tier, das seit Grimms Märchen zu Unrecht verteufelt wird. In der Presse wird gemeldet, dass der Wolf bald Hunde, Menschen und Haustiere frisst und schon wird ein Szenario Wirklichkeit, das in den letzten 15 Jahren nicht geschah. Ein erwachsener Mann, ein Jäger, wird mitten in der Nacht im Wald, wo Wölfe leben, von einem solchen zu Tode erschreckt? Eine Radfahrerin fährt mit ­ihrem Hund an der Leine und es kommt der böse Wolf und knabbert dem Hund am Ohr? Der Meldung, dass die Akzeptanz gegenüber dem Wolf bedrohlich sinken würde, wenn ein Pferd – der Deutschen liebstes Sportgerät – angegriffen würde, folgt umgehend der Angriff auf ein solches Exemplar. Ich habe in all diesen Vorkommnissen persönlich ermittelt und kann ganz klar sagen, dass Gerüchte und Missverständnisse dazu genutzt werden, das Raubtier wieder bejagen zu dürfen.

Was sagen Sie zu der Diskussion,den Wolf wieder ins Jagdgesetz aufzunehmen?

Der Wolf ist im Jagdgesetz nicht gut aufgehoben. Die Jägerschaft hätte dann weit mehr Arbeit und Ausgaben, als ihr lieb wären. Sie wäre dann für jegliche Aufgaben um das Thema verpflichtet und dafür fehlen ihr sowohl die Mittel als auch die Ausbildung. Von der Akzeptanz einmal ganz zu schweigen. Ich persönlich kenne nur einen Jäger, der den Wolf als lebenswerte Tierart ansieht. Ein Wolf tötet nur zum Überleben und stärkt dabei sogar noch den Wildbestand, da er zuerst kranke und alte Tiere reißt. Aber auch Jungtiere wie z.B. Frischlinge gehören zum Speiseplan. Und das wiederum reguliert den Bestand der Schwarzkittel, der uns Menschen oft Nerven kostet. Leider kämpft der Wolf nun zum zweiten Mal ums Überleben, weil dem Menschen nicht passt, dass jemand außer ihm das Schicksal des Waldes leitet. Wilde Tiere können sich nicht verteidigen, erklären oder um Gnade bitten. Darum muss es Menschen wie uns geben, die Partei für wehrlose Geschöpfe ergreifen und dem Menschen Verhaltensweisen und Zusammenhänge erklären. Es gibt ungefähr 360.000 Jagdgenossen in Deutschland, aber nur ca. 360 Wölfe. Zahlen, wieviel ein Wolf für sein Auskommen erlegt, belegen, dass es durchaus eine Koexistenz von Jägern menschlicher Natur und Beutegreifern wie dem Wolf geben kann.

Menschen müssen Ihrer Meinung nach den Wolf also nicht fürchten?

Auch wenn in letzter Zeit des Öfteren vom verhaltensauffälligen Rudel in Niedersachsen die Rede war, halte ich den Wolf für normale Waldbesucher absolut ungefährlich. Wir erleben fast täglich, wie scheu und bedächtig diese Tiere gegenüber dem Menschen sind. Wenn Jungwölfe die Welt erkunden oder auf Wanderschaft gehen, können natürlich solche seltsam anmutenden Begegnungen entstehen. Doch würde niemand, der verantwortungsvoll Kinder großzieht, diese allein in den Wald schicken. Schließlich ist die Gefahr durch Wildsauen und vor allem durch Zecken allgegenwärtig.

Wie stehen Sie zu der Kritik, Naturschützer würden den Wolf verharmlosen, um sich auf diese Weise leichter finanzielle Mittel zu verschaffen?

Es ist ein Mythos, dass Naturschützer den Wolf als Kuscheltier vermarkten, um Spendengelder zu kassieren. Ich habe jahrelang Zeit und meine kaum vorhandenen eigenen Mittel investiert, um die Natur kennenzulernen. Ich kann Ihnen sagen, dass kaum jemand in einer Zeit spendet, in der selbst Erdbebenopfer allein gelassen werden. Für unsere Studie haben wir Unterstützung im Rahmen eines kleinen Betriebskostenzuschusses bekommen. Dafür sind wir auch unendlich dankbar. Trotzdem wird es immer eine Herzensangelegenheit und keine wirtschaftliche sein, wenn es darum geht, diese Tierart weiterhin zu entdecken. Es ist ein unbezahlbarer Aufwand, so oft wie möglich Wildkameras aufzustellen, zu unterhalten und auszuwerten.

Worin genau besteht Ihre Arbeit?

Wir stellen Wildkameras auf und werten die ­Ergebnisse aus. Mit viel Zeitaufwand und akribischer Genauigkeit werden Daten erfasst und verglichen. Nicht zu vergessen ist der tägliche Aufenthalt im Revier, um Spuren und Losung zu sichten oder eben Isegrim persönlich zu begegnen.

Was beinhaltet der unter Ihrer Mitwirkung entstandene, länderübergreifende Managementplan „Wolf“ konkret?

Zum Umgang mit wiederholt auffällig werdenden Tieren haben wir unseren Entwurf eines deutschlandweiten Managementplans an die zuständigen Ministerien gesandt. Denn selbstverständlich geht das Wohl des Menschen vor den Artenschutz. Auch in der Nutztierhaltung muss ein Weg gefunden werden, sich besser gegen Übergriffe zu schützen. Mit Hüteschutzhunden und guter Weidezäunung ist man schon bestens beraten. Private Tierhalter sollten selbstverständlich auch daran denken, dass sie ihre Tiere nicht ungesichert in Wolfsgebieten halten dürfen. Hundehalter sollten ja von Hause aus ihre Tiere im Wald anleinen – allein wegen der Gefahr, dass Wild gejagt oder verschreckt wird. Wir begrüßen, dass eine Kommission der Bundesregierung gebildet werden soll, sind aber etwas skeptisch, wie diese sich zusammensetzen wird.

Würden Sie uns abschließend bitte noch von einer Ihrer Begegnungen mit dem Wolf berichten?

Das ist etwas, das man nie vergisst: Am 11. Mai dieses Jahres habe ich zum ersten Mal das ganze Rudel im Wald getroffen. Etwa 30 Meter von mir entfernt hüpften die Welpen vom Vorjahr mit den Elterntieren durch das Unterholz. Die Lebensfreude und die Eleganz, die sie ausstrahlten, sind einfach unbeschreiblich. Ich wünschte, die Menschen wachten endlich auf und würden den Wolf so akzeptieren wie andere Tiere auch und ihn einfach einen Wolf sein lassen.

Und können Sie unseren Lesern noch einen Tipp geben, wie jeder Einzelne etwas für den Wolfsschutz tun kann?

Die Europäische Kommission ist gerade dabei, die europäischen Natur- und Artenschutz­gesetze zu ändern. Hierzu zählt auch der Schutzstatus des Wolfes. Geben Sie dem Wolf Ihre Stimme und beteiligen Sie sich an der Umfrage der Kommission: www.naturealert.eu/de

Herr Arnold, vielen Dank für das Gespräch.

Foto: © istockphoto.com, Holly Kuchera

HKP 5 / 2015

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 5 / 2015.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.