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Einsatz in der Schweiz

Die Entwicklung des Großtier-Rettungsdienstes Schweiz und Liechtenstein

Die Rettungskette bedarf einer Einsatzzentrale „rund um die Uhr“, einsatzbereite Rettungsspezialisten und ein voll ausgerüstete, geländetaugliche Ambulanzfahrzeuge. Der Großtier-Rettungsdienst Schweiz und Liechtenstein (GTRD CH/FL®) ist eine Nonprofit-Organisation, die das leisten kann.

Die unter Leitung des Rettungssanitäters R. Keller und durch Unterstützung von Dr. A. Fürst entstandene GTRD CH/FL® basiert auf den Erfahrungen von Prof. B. von Salis über Organisation und Ausrüstung für eine Pferderettung und einen Notfalltransport. Diese sammelte er in 20 Jahren Ambulanzdienst auf den Schweizerischen Renn- und Turnierplätzen. Professor Salis ist auch der Begründer des 1992 entstandenen Vereines für Pferdesamariter und Pferderettungswesen.

Aufgaben und Ziele

Dieser hauptsächlich auf Pferde ausgerichtete Rettungsdienst hat heute drei GTRD-Stützpunkte (Zürich, Aargau, Liechtenstein-Graubünden) und zwei Bergungsstützpunkte (Nidwalden, Bern) in der Ost- und Zentralschweiz mit drei vollkommen ausgerüsteten Ambulanzzügen mit rund 15 ausgebildeten Großtier-Rettungssanitätern. Der GTRD hält sich für Notfälle rund um die Uhr einsatzbereit und arbeitet eng mit der Pferdeklinik der Vetsuisse Fakultät der Universität Zürich zusammen. Bis heute wurden über tausend Einsätze geleistet. Für die Rettung eines Pferdes ist die Zusammenarbeit der Rettungsorganisation mit Tierärzten unerlässlich. Bei Bedarf bietet der GTRD noch weitere Hilfsorganisationen wie Kran- und Helikopterunternehmen zum Anheben von verunglückten Pferden, Polizei zur Verkehrsregelung und für Absperrungen sowie Feuerwehr zur Brandbekämpfung und Mithilfe bei der Rettung auf.
Der GTRD führt die vielfältigsten Rettungen von Pferden und anderen Großtieren durch, wie zum Beispiel bei Unfällen im Straßenverkehr, auf Weiden, wo Pferde geschlagen werden oder im Gelände, wo sie in Gräben, Schluchten oder Gewässer stürzen, in Ställen, wo sie eingeklemmt sind oder festliegen, aus Jauchegruben und Schächten, in die sie durch defekte Böden hinuntergefallen sind oder bei Stallbränden. Außerdem versieht der GTRD noch den Ambulanzdienst zusammen mit Tierärzten bei verschiedenen Pferdesportanlässen. Das Pferd ist bekanntlich ein Flucht-und Herdentier. Vor diesem Hintergrund muss das Verhalten der Pferde auch in Notsituationen betrachtet werden. Daraus erklären sich auch unvorhergesehene Handlungen des Pferdes, die gerade in der Extremsituation eines Notfalles verheeren de Folgen haben können, wie weitere Verletzungen des Pferdes und Verletzungen bei den anwesenden Menschen und Tieren. Deshalb müssen alle möglichen Vorkehrungen getroffen werden, um Schäden bei unerwarteten Reaktionen des Pferdes zu vermeiden.

Korrekte Rettungsanforderungen

Die Rettung von verunfallten Pferden umfasst grundsätzlich vier Phasen (Fürst, 2006): Medizinische Erstversorgung Bergung unter Sedation Stabilisierung des Patienten Überwachter Ambulanztransport

Bergung von Pferden

Allgemeines

Als erstes müssen die Pferde vom Unfallort geführt oder stehend, seitlich oder auf dem Rücken liegend geborgen werden. Das große Gewicht und die häufig fehlende Kooperation können die Bergung von Pferden zu einer sehr schwierigen Aufgabe machen, an die ruhig und gut überlegt herangegangen werden muss. Zusätzlich braucht es verschiedene Geräte und Hilfsmittel, um die Tiere schonend und effizient bergen zu können. Obwohl eine Bergung möglichst rasch erfolgen soll, ist die Zeit eher zweitranig, da die Erste Hilfe korrekt vorgenommen werden muss. Da stets bedacht werden soll, dass die Pferde Schmerzen und Angst verspüren und in Panik geraten können, ist eine eiligst ausgeführte Bergung ohne tierärztliche Begleitung und ungeeignete Hilfsmittel sehr gefährlich. Leider haben wir oft zur Kenntnis nehmen müssen, dass durch unbedachtes Vorgehen und unsachgemäße Manipulationen bei Kran- und Helikopterbergungen sich schon einige Pferde zusätzlich schwer verletzt haben oder abgestürzt sind. Da wir das für die Evakuierung von Rindern aus Berggebieten in den 80er Jahren entwickelte Helikopternetz der Schweizerischen Rettungsflugwacht REGA für die Fixation der Bergung und den Transport von Pferden verwenden wollten, haben wir vergrößerte und knotenlose Netze, mit kleineren Maschen, einer höheren Festigkeit und einer Reißkraft bis 22 Tonnen herstellen können. Damit konnte in der Folge das Gewicht eines Pferdes bis 1.100 kg vorschriftsgemäß per Helikopter transportiert werden.
Mit diesem Tier-Bergungs- und Transportnetz (TBTN) können Pferde in vielen Situationen geborgen, beim Stehendtransport entlastet und gesichert, nach Operationen und in der Rekonvaleszenzzeit über längere Zeit in der Boxe am Abliegen gehindert werden (Fürst et al., 2006).

Probleme bei verschiedenen Bergungen

Bei Verkehrsunfällen und in unwegsamem Gelände

Bei Verkehrsunfällen, in denen Pferde mit Fahrzeugen kollidieren oder Pferdetransporter auf der Fahrbahn umstürzen, ist oft der vorbeirollende Verkehr ein Gefahrenpotenzial für die Rettungssanitäter, weshalb die Polizei angefordert werden muss. In unwegsamem Gelände ist es die Erreichbarkeit zum verunfallten Pferd und das Arbeiten unter diesen erschwerten Bedingungen kann für das Rettungsteam problematisch sein.

Aus Schächten und Jauchegruben

Müssen Pferde aus Schächten oder Jauchegrube geborgen werden, stellt dies besondere Anforderungen an die Rettungskräfte. So wurde für die Bergung aus Schächten ein spezielles Großtier-Vertikalbergungsgeschirr entwickelt mit dem das Pferd aufrecht, auf der Hinterhand sitzend durch die enge Öffnung hochgezogen werden kann (Abb. 1).
Bei Bergungen aus Jauchegruben müssen die Rettungskräfte mit Atemschutzgeräten und Tauchanzügen arbeiten und versuchen möglichst rasch dem Pferd wegen den giftigen Gasen mittels Ventilatoren Frischluft zuzuführen und wenn möglich möglichst viel der flüssigen Jauche abzusaugen.

Aus Gewässern und Sümpfen

Eine weitere Herausforderung stellt die Bergung aus Gewässern, speziell aus Flüssen dar, vor allem bei denen eine starke Strömung herrscht und die Rettungskräfte in Tauchanzügen dem Pferd schwimmend das TBTN anziehen müssen, bevor es mit dem Helikopter aus dem Wasser gehoben und an das Ufer geflogen werden kann. Bei den Sümpfen stellt die Gefahr, dass das Pferd und die Rettungskräfte einsinken ein großes Problem dar, das oft nur mit einem Rettungssanitäter, der an einem Helikopter hängt, gelöst werden kann.

Aus brennenden Stallungen

Eine sehr komplexe Bergung stellt jene bei Stallbränden dar, die in der Regel auch mit Atemschutzgeräten und in Zusammenarbeit mit der Feuerwehr durchgeführt wird. Da es sich meistens um die Bergung mehrerer Pferde handelt, die unterschiedlich verletzt sind, müssen sie sofort nach dem Herausführen von einem Tierarzt triagemäßig untersucht und dann an einen sicheren Ort gebracht werden. Dabei muss darauf geachtet werden, dass ihnen eine Rückkehr in den brennenden Stall mit allen Mitteln verwehrt wird.

Transport eines Notfallpatienten

Unmittelbar nach jeder Bergung muss das Pferd an einem geschützten sicheren Ort vorerst allgemein untersucht und nach Bedarf medizinisch und bei Verletzungen chirurgisch notfallmäßig behandelt und so für den Transport mit einem speziell eingerichteten und ausgerüsteten Ambulanzanhänger vorbereitet werden. Lassen der Allgemeinzustand und die Verletzungen einen Stehendtransport zu, wird das Pferd vorsichtig in den Anhänger eingeladen und vor allem bei Kolik, Kreislauf-, Gleichgewichtsstörungen oder ZNS-Erkrankungen mit einem TBTN oder Entlastungsgeschirr entlastet, gesichert und transportiert.
Bedeutend problematischer wird der Transport, wenn das Pferd mit schlechtem Allgemeinzustand und mit schweren Verletzungen des Bewegungsapparates festliegt. In diesem Fall muss ein Liegendtransport vorgesehen werden. Abhängig von der vorgesehenen Transportdistanz und dem Zustand des Pferdes hängt die Wahl und Dosierung des Beruhigungs- oder des Narkosemittels ab, wodurchAufstehversuche des Pferdes während des Transportes verhindert werden. Das festliegende oder medikamentös abgelegte Pferd wird auf eine aufblasbare Matte gelegt, die vier Gliedmaßen zusammengebunden und auf der Matte in die Ambulanz gezogen. Ein Großtier- Rettungssanitäter überwacht die Vitalfunktionen während des ganzen Transportes. Mittels Videoüberwachung ist der Innenraum der Ambulanz gesichert und per Funkverbindung ist er in dauerndem Kontakt mit dem Fahrer, den er über den Zustand des Pferdes oder besondere Vorkommnissen informieren kann. In der Schweiz hat der GTRD® als einzige Rettungsorganisation, die gesetzliche Bewilligung für die Verwendung der gelben Gefahrenleuchte für Großtiernotfälle und Betreuungsplätze zur Überwachung des Pferdes während der ganzen Fahrt im Ambulanzanhänger.

horseconsulting@bluewin.ch

HKP 6 / 2008

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2008.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.