Nosokomiale Infektionen mit multiresistenten Infektionserregern
Nosokomiale Infektionen mit multiresistenten InfektionserregernHerausforderungLange Zeit beschränkte sich die Diskussion über multi-resistente Erreger in der Tiermedizin auf deren Vorkommen in Lebensmittel liefernden Tieren bzw. in Lebensmitteln tierischer Herkunft. Dabei stand ausschließlich der Verbraucherschutz im Mittelpunkt. Prof. Dr. Lothar H. Wieler beobachtet seit Kurzem eine Veränderung und rückt die Bedeutung dieser Infektionserreger für die Gesundheit der uns anvertrauten Tiere, mit denen wir häufig in enger häuslicher Gemeinschaft leben, in den Vordergrund.
Aufmerksame Tierärzte beobachten eine Zunahme von Infektionen mit z.B. multiresistenten Staphylokokken oder Enterobakterien bei Patienten, die an chronischen Haut- oder Harnwegsinfektionen leiden oder bei denen im Nachgang chirurgischer Eingriffe Wundheilungsstörungen auftreten. Solche Infektionen treten besonders häufig nach einem stationären Aufenthalt in der tierärztlichen Praxis oder Klinik auf oder es handelt sich um Patienten, die wiederholt mit Antibiotika vorbehandelt wurden. Stehen wir Tierärzte vor einer neuen infektiologischen Herausforderung, der Zunahme nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern bei unseren Haus- und Hobbytieren Hund, Katze und Pferd? Eine nosokomiale Infektion ist eine Infektion mit lokalen oder systemischen Infektionszeichen als Reaktion auf das Vorhandensein von Erregern oder ihrer Toxine, die im zeitlichen Zusammenhang mit einer stationären oder einer ambulanten medizinischen Maßnahme steht, soweit die Infektion nicht bereits vorher bestand (§ 2 Infektionsschutz-Gesetz). In der Humanmedizin sind nosokomiale Infektionen ein lange bekanntes, aber weiterhin bedrückendes Problem. Allein in Deutschland infizieren sich jedes Jahr zwischen 400.000 und 600.000 Menschen während ihres Klinikaufenthaltes mit nosokomialen Erregern. Mit 15 % ist hierbei das Infektionsrisiko auf Intensivstationen zwei- bis zehnmal höher als auf anderen Stationen. Bei den betroffenen Patienten verlängern sich die Klinikaufenthalte, Morbidität und Mortalität sind erhöht. Oft stehen bei nosokomialen Infektionen multiresistente Bakterien im Mittelpunkt, denn sie schränken die Behandlungsoptionen erheblich ein und führen so zu schweren Komplikationen. Infektionserreger und Infektionsquelle
Nach Herkunft der Erreger nosokomialer Infektionen werden endogene und exogene Erreger unterschieden. Der Ursprung endogener Infektionen sind die Mikrobiota des Nasen-Rachen-Raums, der Haut, des Genital- und Perinealbereichs sowie des Magen-Darm-Trakts. Exogene Infektionserreger werden durch direkten Kontakt, Kontakt mit infektiösen Körpersekreten oder über lebende und unbelebte Vektoren übertragen. So sind meist andere Patienten, die Hände des Personals, Arthropoden, Schermaschinen, Fixationshilfen, Futternäpfe, Klinikkäfige oder Katheter involviert. Solche nosokomialen Infektionen können in Tierkliniken zu Ausbrüchen führen, die nur mit einer aufwändigen und intensivierten Hygiene eingedämmt werden können. Typische Gram-positive Infektionserreger bei Heimtieren sind z.B. Koagulasepositive Staphylokokken (wie z.B. S. aureus, Gefahr der Übertragung zwischen Mensch und Tier Eine weitere bedeutende Dimension ist das zoonotische Potenzial nosokomialer Erreger. Stand früher meist die Übertragung vom Tier auf den Menschen im Vordergrund, so scheint sich hier ebenfalls ein Wandel anzudeuten. Bei Infektionen von Heimtieren mit methicillinresistenten Staphylococcus aureus (MRSA) deutet vieles daraufhin, dass zurzeit der Mensch die wichtigste Infektionsquelle ist. Spätestens hier wird deutlich, dass im Falle nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Erregern zum Schutz vor Übertragungen besondere Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssen. Je nach Art des Erregers, seinem Zoonosepotenzial und dem Risiko nosokomialer Verbreitung sind unterschiedliche Hygiene-, Isolierungs- und Therapiemaßnahmen erforderlich. Dies trifft sowohl für das Klinikpersonal zu als auch für die Patientenbesitzer, denn wenn infizierte Tiere entlassen werden, können diese die Patientenbesitzer und deren Familienmitglieder ebenfalls anstecken. Risikofaktoren Analog zu den umfangreichen Erkenntnissen aus der Humanmedizin führt auch in Tierkliniken der Einsatz von Antibiotika zur Selektion von resistenten Mikroorganismen. Zahlreiche Beispiele spiegeln diese jüngste Entwicklung deutlich wider. So erhöhten sich z.B. Resistenzraten von S. aureus und S. pseudintermedius gegenüber Fluorchinolonen innerhalb eines Zeitraums von acht Jahren in einer Universitätsklinik von 0 auf 12 %. Diese Erhöhung ging einher mit dem zeitgleichen verstärkten Einsatz dieses Wirkstoffes. Ähnliche Daten liegen auch für E. coli vor, hier wurden erhöhte Resistenzraten gegenüber Ampicillin, Cephalothin und Fluorchinolonen belegt. Auch die Dauer des Aufenthalts von Hunden in einer Klinik war signifikant mit einer Zunahme von Resistenzraten intestinaler E. coli gegenüber Ampicillin asso ziiert. Auch Pferdekliniken sind von dieser Entwicklung betroffen. So wiesen z.B. nach Klinikaufenthalt die Pferde eines Gestüts eine deutlich höhere Prävalenz methicillinresistenter Staphylokokken auf. Die wenigen, aber seit einigen Jahren zunehmenden Berichte über ein gehäuftes Auftreten nosokomialer Infektionen in tiermedizinischen klinischen Einrichtungen sind in der online zugänglichen Promotionsschrift von Claudia Ruscher zusammengefasst. Die Daten belegen die Bedeutung von nosokomialen, multiresistenten Erregern in der Tiermedizin. Ausblick Aktuelle mikrobiologische Befunde von erkrankten Haus- und Hobbytieren, insbesondere von Hunden, Katzen und Pferden, belegen die Zunahme von Infektionen mit multiresistenten Infektionserregern. Die Zunahme von Risikopatienten („alte“ Patienten, Patienten mit chronischen Grundkrankheiten) wird diesen Trend eher verschärfen. Krankheiten, bei denen derselbe Erreger in einem deutlichen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang nachgewiesen wurde, legen eine nosokomiale Verbreitung dieser Bakterien in einer Klinik oder Praxis nahe. Wie wir aus der Humanmedizin wissen, sind viele nosokomiale Infektionen durch geeignete Präventions- und Hygienemaßnahmen zu verhindern. Ohne eine hinreichende Kenntnis der zu Grunde liegenden Risikofaktoren sind die behandelnden Tierärzte jedoch nicht in der Lage, fundierte Maßnahmen zur Reduktion solcher Infektionen einzuleiten. Wir müssen unserer Verantwortung nachkommen und unter Beachtung entsprechender Qualitätsstandards initial multi-zentrische Surveillance-Programme in Tierkliniken implementieren. Nur über die Erfassung und Analyse definierter Fälle von Infektionskrankheiten können wir Umfang und Ursachen nosokomialer Infektionen mit multiresistenten Infektionserregern erkennen – um deren Auftreten in der Folge Evidenzbasiert gezielt verhindern zu können. |
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