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Tierarzt als Arbeitgeber und Aufklärungspflicht hinsichtlich betrieblicher Altersvorsorge

Tierarzt als Arbeitgeber und Aufklärungspflicht hinsichtlich betrieblicher Altersvorsorge

Des Glückes Schmied

Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zur „Aufklärungspflicht des Arbeitgebers bei der Entgeltumwandlung“ gibt willkommene Gelegenheit, auch Tierärzte mit diesem Thema zu konfrontieren. Tierärzte sind nicht nur Mediziner, sondern zumeist auch Arbeitgeber.

Grundlagen

Am 01.04.2009 traten die „tarifvertraglichen Vereinbarungen zur betrieblichen Altersvorsorge (bAV) für tiermedizinische Fachangestellte“ in Kraft. Tarifpartner waren damals auf der Arbeitgeberseite der „Bundesverband Praktizierender Tierärzte e.V.“ und auf der Arbeitnehmerseite der „Verband medizinischer Fachberufe e.V.“ In vielen Tierarztpraxen sind jedoch auch fünf Jahre später diese kollektivrechtlichen Normen schlicht unbekannt. Gem. §§ 3, 7 dieser Vereinbarung haben Fachangestellte, Tierarzthelferinnen und Auszubildende nach der Probezeit folgende Ansprüche:

// ? 20 Wochenstunden: 30 Euro Anschubfinanzierung vom Arbeitgeber.

// > 20 Wochenstunden: 15 Euro Anschubfinanzierung vom Arbeitgeber.

// Zusätzlich bestimmt § 7 Abs. 1 der Vereinbarung, dass der Arbeitnehmer „verlangen“ kann, dass von seinen „künf­tigen Entgeltansprüchen“ bis zu 4% der Beitragsbemessungsgrenze zur Rentenversicherung zur Entgeltumwandlung herangezogen werden.

// § 7 Abs. 3 der Vereinbarung bestimmt, dass im Falle der Entgeltumwandlung durch den Arbeitnehmer der Arbeit­geber einen weiteren Arbeitgeberzuschuss in Höhe von 20% des umgewandelten Betrages dazugeben muss.

§ 7 Abs. 1 der Vereinbarung wiederholt ­damit den individualarbeitsrechtlichen Entgeltumwandlungsanspruch aus § 1a BetrAVG. Die 4% der BBG/West der gesetzlichen Rentenversicherung bedeuten, dass 2014 von jedem Arbeitnehmer max. 2.856 Euro jährlich oder 238 Euro monatlich steuer- und sozialabgabenfrei vom Bruttolohn für den Aufbau einer Altersvorsorge umgewandelt werden können. Die Beitrags­bemessungsgrenze ist dabei eine Sozialversicherungs-Rechengröße. Sie bezeichnet, bis zu welchem max. Beitrag eine gesetzliche Sozialversicherung aus dem Bruttolohnbetrag errechnet werden darf. Sie wird jedes Jahr per Rechtsverordnung neu festgesetzt (vgl. zu den Einzelheiten § 68 SGB VI.) Gem. § 7 Abs. 2 der Vereinbarung hat der Tierarzt als Arbeitgeber bei einer Umwandlung in voller Höhe durch den Arbeitnehmer dann nochmals 47,60 Euro (20% Zuschuss von 238 Euro) dazuzugeben.

Informationspflicht

In § 17 der Vereinbarung ist nun zusätzlich eine Informationspflicht des Arbeitgebers statuiert. Der Tierarzt hat danach über „die Grundzüge“ der bAV durch Entgeltumwandlung sowie über den Arbeitgeberzuschuss und die Anschubfinanzierung zu informieren.

a) Bundesarbeitsgericht (BAG) Urteil vom 21.01.2014

Es war in der Vergangenheit keineswegs unüblich, dass Versicherungsvermittler (Versicherungsvertreter und Makler) die Komplexität dieser Materie „vertriebsfreundlich“ verkürzten und behaupteten, ein Arbeitgeber mache sich bei mangelnder Aufklärung des Arbeitnehmers zur Entgeltumwandlung schadensersatzpflichtig. Dieser Satz war bereits vor der o.g. Entscheidung des BAG in dieser Absolutheit falsch und kann nach diesem Urteil sogar eine Falschberatung darstellen. Was ist passiert? Das BAG rekurriert auf den Wortlaut und den Sinn und Zweck des § 1a BetrAVG und stellt fest, dass diese Norm den Arbeitgeber nicht verpflichtet, von sich aus auf die Möglichkeit einer bAV gegenüber dem Arbeitgeber hinzuweisen. Eine solche Pflicht, das erkennt der Senat in seiner Begründung schon an, „könnte zwar dazu beitragen, die Verbreitung der bAV zu fördern“ (Rn. 13 der Urteilsbegründung), dies entspricht aber nicht der Rollenverteilung, die der Gesetzgeber im Sinn hatte. Aus der Formulierung, wonach der Arbeitnehmer gem. § 1a BetrAVG „verlangen kann“, dass künftige Entgeltteile umgewandelt werden, schließt das Gericht auf die Alleinverantwortung zum Zeitpunkt der Entschlussfassung durch den Arbeitnehmer. Die Entscheidung für die bAV liegt zeitlich vor dem (versicherungstechnischen) Vorgang der Umwandlung. Erst nach dieser Entscheidung für die bAV werden weitere Pflichten des Arbeitgebers ausgelöst. Muss der Arbeitnehmer diese Entscheidung alleine treffen, ehe er die weitere Durchführung „verlangen“ kann, bedarf es für diese auch keiner weiteren Aufklärung eines Dritten.

Auch aus der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht resultiert keine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers. Mit diesem Passus nimmt das BAG Bezug auf die rollentypische Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers. Außerhalb des Arbeitsrechts ist eine gesteigerte Aufklärungspflicht bei struktureller Ungleichheit anerkannt. Strukturelle Unterlegenheit zielt bei der Aufklärungspflicht auf typisierte Ungleichgewichtslagen. Eine Seite hat einen deutlichen Informationsvorsprung, die andere Seite ist sehr unerfahren. Damit tritt neben das rein personale Moment der Arbeitnehmerrolle ein Sachmoment, nämlich die typische Ungleichgewichtslage. Nach einem Exkurs auf die vorangegangene Rechtsprechung des 3. Senats, die eine solche Hinweispflicht von einer Interessenabwägung im Einzelfall abhängig machte, schließt das BAG für den Fall der Entgeltumwandlung dieses Ungleichgewicht bzw. Informationsgefälle aus. Dieser Anspruch ergibt sich aus dem „jedermann zugänglichen und insoweit ohne weiteres verständlichen“ (§ 1a BetrAVG).

§ 17 Tarifvertrag

Aus der Informationspflicht des § 17 des Tarifvertrages kann keine weiter gehende Aufklärungspflicht des Tierarztes abgeleitet werden. Hierbei handelt es sich zum einen um eine Norm des kollektiven Arbeitsrechts, d.h., Partner der Verein­barung waren die Interessenverbände. wRegeln eines Tarifvertrages gelten nun aber nicht automatisch für die individuellen Arbeitsver­träge zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Grundsätzlich greifen Tarifverträge nur ein, wenn:

// sowohl der Arbeitgeber Mitglied im ­tarifschließenden Arbeitgeberverband ist (oder bei Haustarifen selbst einen Tarifvertrag abschließt) und der Arbeitnehmer Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ist,

// die Geltung eines Tarifvertrags im Arbeitsvertrag ausdrücklich vereinbart wird oder

// ein Tarifvertrag ausnahmsweise für allgemein verbindlich erklärt worden sein. Dann gilt er – vergleichbar einer gesetzlichen Regelung – für alle Arbeitsverhältnisse in einer bestimmten Branche und einem bestimmten Gebiet. Eine Liste aller für allgemein verbindlich erklärten Tarifverträge finden Sie auf der Homepage des Bundes­ministeriums für Arbeit und Soziales; der Tarifvertrag zur bAV in Tierarzt­praxen ist nicht dabei.

Darüber hinaus verlangt aber auch die Informationspflicht in § 17 des Tarifvertrags, dass der Arbeitgeber erst über das Verfahren zum Ablauf der Entgeltumwandlung gem. § 9 des Tarifvertrags aufklärt. Wie in § 1a BetrAVG knüpft § 7 des Tarifvertrages mithin das „Verlangen“ einer Entgeltumwandlung an eine vorausgegangene Entscheidung der Tierarzthelferin für eine bAV. Diese Entscheidung ist deshalb auch nach der wortidentischen Regelung des Tarifvertrages autonom und ohne weitere Aufklärung von dem Arbeitnehmer allein zu treffen.

take home

Die Entscheidung des BAG entlastet Arbeitgeber von weiterem Aufwand und stellt klar, dass die grundsätzliche Entscheidung für eine Entgeltumwandlung ausschließlich in der Sphäre des einzelnen Arbeitnehmers liegt. Dieser ist hier seines eigenen Glückes Schmied. Das schließt aber nicht aus, dass Tierärzte – insbesondere wenn einzelne Angestellte schon über eine bAV verfügen – ihre (übrigen) Mitarbeiter zur Entgeltumwandlung nicht ermutigen sollten. Es ist anerkannt, dass die bAV die Mitarbeiterbindung an einen Betrieb fördert. Auch das BAG stellte zudem des Weiteren fest, dass gerade § 1a BetrAVG (und damit auch der weitgehend wortidentische § 7 des Tarifvertrags) nach dem weiteren Zweck des Gesetzgebers darauf gerichtet ist, die staatlich geförderte Altersvorsorge in Betrieben einzurichten, „in denen eine solche (noch) nicht angeboten wird“.

Informationen zu Urteilen und Rechtsprechung können beim Autor angefragt werden.

HKP 4 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 4 / 2014.
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„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
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Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.