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Diät als Teil der Therapie bei Leber- und Nierenerkrankungen

Diät als Teil der Therapie bei Leber- und Nierenerkrankungen

Welches Futter?

Chronische Leber- und Nierenerkrankungen sind häufige Indikationen für eine langfristige Diät. Gerade bei diesen chronischen Erkrankungen kann eine angepas­ste Diät die Nährstoffversorgung und das Wohlbefinden verbessern und oft sogar das Fortschreiten verlangsamen. Zusätzlich muss die Diät für Patienten, die oft unter Inappetenz leiden, besonders schmackhaft sein.

Niereninsuffizienz

Gerade bei der chronischen Niereninsuffizienz (CNI) kann die richtige Diät nachweislich das Wohlbefinden des Patienten verbessern und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen. Deswegen sollte sie sofort nach Diagnose der Erkrankung gestartet werden, idealerweise, wenn der Verdacht auf eine Niereninsuffizienz anhand von Blut- oder Harnfunden ausgesprochen wird und der Patient noch keine klinischen Symptome hat.

Die wichtigsten diätetischen Maßnahmen

Phosphor
Durch eine verminderte glomeruläre Filtrationsrate kommt es zur Phosphorretention und schließlich zum sekundären renalen Hyperparathyreodismus. Der wichtigste Aspekt der „Nierendiät“ ist daher eine Reduktion der Phosphorzufuhr. Dies kann über zwei Wege erfolgen: verminderter Phosphorgehalt im Futter und/oder Phosphatbinder. Dabei sollte – wann immer möglich – zuerst der Phosphorgehalt im Futter durch Umstieg auf eine entsprechend phosphorarme Diät bzw. Anpassung einer hausgemachten Fütterung reduziert werden. Da handelsübliche Fertigfutter, vor allem jene für Katzen, oft einen sehr hohen Phosphorgehalt aufweisen (dreifacher Bedarf oder mehr), reicht es im Anfangsstadium der CNI, wenn der Phosphatgehalt im Blut noch nicht erhöht ist, auf ein Produkt mit einem geringeren Phosphorgehalt (z.B. „Seniorprodukt“) umzusteigen. In einer Nierendiät sollte der Phosphorgehalt bei max. 230mg/MJ ME (Hund) bzw. 170mg/MJ ME (Katze) liegen.

Phosphatbinder sollten immer erst dann zum Einsatz kommen, wenn der Phosphatgehalt im Blut trotz phosphorreduzierter Diät nicht gesenkt werden kann und eine Verminderung des Phosphorgehalts in der Ration nicht (weiter) möglich ist oder weil eine Nierendiät nicht vertragen (z.B. Futtermittelallergie) oder nicht gefressen wird. Phosphorbinder für Tiere auf Basis von Kalziumkarbonat und Lanthankarbonat (z.B. Lantharenol®) sind auf dem Markt; auch Aluminiumsalze aus der Humanmedizin können eingesetzt werden. Die Entscheidung richtet sich vor allem danach, welche Darreichungsform (Pulver/Flüssigkeit/Tabletten) das Tier akzeptiert. Auf jeden Fall müssen Phosphatbinder gut vermischt mit dem Futter verabreicht werden.

Eiweiß
Die Reduktion der Eiweißzufuhr sollte zu Beginn der Erkrankung so weit erfolgen, dass die in der Praxis fast immer vorhandene Überversorgung abgebaut wird. In weiterer Folge wird die Proteinzufuhr dem Verlauf der Erkrankung (Blut-Harnstoff) angepasst. Der Mindestbedarf an Eiweiß (Hund 2,6g/kg KM0,75, Katze 4g/kg KM0,67) darf jedoch nicht unterschritten werden. Bei Hypoproteinämie infolge starker Protein­urie muss die Eiweißzufuhr eventuell sogar wieder angehoben werden. Besonders wichtig ist eine gute Eiweißqualität: Muskelfleisch, Fisch, Milchprodukte, Eier. Schwer verdauliche, bindegewebsreiche Produkte (Ohren, Sehnen, Lunge, Schlund, Mägen) sind für Nierenpatienten tabu. Geeignete Leckerli sind wenig Trockenfleisch, Schinken oder Käse, Kekse auf Getreidebasis, Reis- oder Maiswaffeln, Obst- und Gemüse­stückchen. Kommerzielle Nieren­diäten unterscheiden sich teilweise beträchtlich in ihrem Eiweiß- und Phosphorgehalt. Es zahlt sich daher aus, die Produkte genau zu vergleichen, um das Passende für den ­jeweiligen Patienten zu finden, da der Verlauf der Erkrankung nicht immer gleich ist. Mittlerweile gibt es auch Produkte im Heimtierbedarf, die als „Diätfutter“ bezeichnet und bei Niereninsuffizienz als geeignet ausgelobt sind. Diese Erzeugnisse sind ­jedoch fast immer ungeeignet, da sie die Anforderungen an eine tatsächliche Nierendiät nicht erfüllen, vor allem ist der Phosphorgehalt meist viel zu hoch.


Wirkungsweise von fermentierbaren Fasern zur Verringerung der Aufnahme von Eiweißabbauprodukten aus dem Darm.
Foto: © J. Fritz, Buch Tierärztliche Ernährungsberatung

Allgemeine Maßnahmen

Inappetenz ist ein sehr häufiges Problem bei Nierenpatienten: Einerseits leiden sie an Übelkeit und Schleimhautulzera, andererseits wird eiweißreduziertes Futter als wenig attraktiv empfunden, besonders von Katzen. Deswegen wird gerade bei Pa­tienten mit Nierenerkrankungen häufig nach hausgemachten Alternativen gefragt, sei es zur Überbrückung einer schlechten Phase oder auch dauerhaft. Gut geeignet für hausgemachte Diäten ist fettes Fleisch ­(Gulaschfleisch, Beinfleisch, Schweinebauch) in Kombination mit Fett und Kohlenhydraten. Rezepte ohne Kohlenhydrate (wie z.B. beim BARFen) sind für nierenkranke Hunde definitiv nicht geeignet, da sie zu eiweiß- und phosphorreich sind. Auch wenn nur kurzfristig gekocht wird, sollte zumindest Kalzium ergänzt werden, da ein inverses Kalzium-Phosphor-Verhältnis besonders schädigend für die Nieren ist. Das kann ganz einfach über Futterkalk oder ­Eierschalen erfolgen (Tab.1). Kommer­zielle Mineralfutter enthalten fast immer auch Phosphor und sind daher nur im Anfangsstadium geeignet. Besonderes Augenmerk muss auf die Zufuhr von Nährstoffen gelegt werden, die für die Blutbildung wichtig sind (Fe, Cu, B-Vitamine), um eine Anämie, die durch einen Mangel an Erythropoetin ohnehin oft besteht, nicht noch zu begünstigen.

Eine einfache, preisgünstige und sehr effektive Maßnahme zur Reduktion der Ammoniakaufnahme aus dem Darm ist der Einsatz von fermentierbaren Kohlenhy­draten (Präbiotika). Sie wirken auf mehrfache Weise: Die Darmpassage wird beschleunigt, proteolytische Bakterien werden zurückgedrängt und der Darmbrei wird angesäuert, wodurch Ammoniak NH3 zu Ammonium NH4+ umgewandelt und mit dem Kot ausgeschieden wird. Geeignet sind z.B. Laktose, Laktulose oder Pektin (Dosierung: Laktose und Pektin bis 1g/kg KM, Laktulose bis 2g/kg KM). Wichtig ist, dass mit kleinen Mengen mehrmals täglich begonnen und die Dosis langsam gesteigert wird (über mind. fünf Tage), sonst kann Durchfall auftreten. Die Dosis ist richtig, wenn der Kot etwas weich ist und einen pH-Wert von ca. 6,5 aufweist.

Eine weitere sinnvolle Ergänzung sind langkettige Omega-3-Fettsäuren. Sie wirken sich günstig auf Entzündungsprozesse aus und verringern den Druck in den glomerulären Kapillaren. Auch wenn eine wirksame Dosis nicht bekannt ist, können fetter Fisch (wie Lachs) oder Lachsöl einfach in die Ration eingebaut werden.

Lebererkrankungen

Unabhängig von der Ursache können ­Lebererkrankungen alle Funktionen des Organs und damit den Stoffwechsel fast aller Nährstoffe beinträchtigen. Vonseiten der Ernährung kann ein leberkrankes Tier insofern unterstützt werden, als dass eine optimale Versorgung mit gut verwertbaren Nährstoffen sichergestellt und eine zusätzliche Belastung der Leber durch schwer verdauliche Zutaten verhindert werden kann. Das Futter muss hochverdaulich und schmackhaft sein. Dabei orientiert sich die Zufuhr an Eiweiß am Zustand des Patien­ten: Liegen Gesamteiweiß, Albumin und Ammoniak im Referenzbereich, sollte der Eiweißgehalt der Nahrung am Bedarf liegen. Liegen eine Hypoproteinämie und/oder Hypalbuminämie vor, muss die Protein­zufuhr erhöht werden. Eine Proteinreduk­tion ist nur bei erhöhtem Ammoniakspiegel bzw. Hepathoenzephalopathie indiziert. Kommerzielle Leberdiäten können natürlich eingesetzt werden, kurzfristig auch ­andere Diäten mit hochverdaulichen Zutaten. Auch hausgemachte Rationen sind gut geeignet. Als Zutaten bietet sich Muskelfleisch in Kombination mit Milchprodukten (Quark, Hüttenkäse) an, Eier sollten wegen ihres hohen Methioningehaltes vermieden werden.

Bindegewebsreiche Futtermittel (Lunge, Schlund, Pansen), aber auch die als Leckerli beliebten Ohren, Sehnen, Büffelhautknochen oder Ochsenziemer sind auch für Tiere mit Lebererkrankungen absolut ungeeignet. Sehr weich gekochte Kartoffeln, Nudeln, Reis oder Getreide­flocken sorgen für gut verfügbare Energie. Eine kohlenhydratfreie Fütterung (wie beim BARFen) ist auch beim leberkranken Hund nicht ratsam. Zur Deckung des Bedarfs an essenziellen Fettsäuren sollte eine Mindestmenge an Fett gegeben werden, z.B. hochwertiges Pflanzenöl (1 EL großer Hund, ­1 TL kleiner Hund, ein Mokkalöffel Katze). Liegt keine Störung der Fettverdauung vor, kann auch mehr Fett als Energiequelle eingesetzt werden; Fett erhöht außerdem die Schmackhaftigkeit. Die Zufuhr von Mineralstoffen und Vitaminen erfolgt prinzipiell nach Bedarf. Vitamin A sollte nicht über­dosiert werden, die Zufuhr von Vitamin E und B-Vitaminen kann hingegen reichlich sein (2- bis 3-facher Bedarf). Eventuell kann zusätzlich Vitamin C gegeben werden. Da bei chronischen Hepathopathien häufig eine pathologische Anhäufung von Kupfer zu finden ist, wird eine restriktive Kupferversorgung empfohlen. Eine erhöhte Zinkzufuhr verhindert die Absorption von Kupfer im Darm und kann eventuell auch Fibrosierung reduzieren. Dazu eignet sich z.B. Zinkacetat (2–4mg/kg KM/Tag), Zinksulfat oder Zinkglukonat (3mg/kg KM/Tag).

Bei einer Hepatoezephalopathie, die in der Praxis wohl am häufigsten bei Welpen mit portosystemischem Shunt auftritt, ist eine Reduktion der Eiweißzufuhr nötig. Auf eine hohe Verdaulichkeit des Eiweißes muss auch hier geachtet werden. Kommerzielle Leberdiäten sind für diese Welpen geeignet, da sie hochverdaulich und eiweißreduziert sind. Erfahrungsgemäß sind Besitzer dieser meist kleinen Hunde gern bereit, das Futter selbst zu kochen oder tun dies ohnehin schon (Tab.2). Ist der Patient klinisch stabil, sollte vorsichtig und schrittweise versucht werden, den Eiweißgehalt der Ration zumindest auf den Bedarf anzuheben. Wie im Abschnitt „Nierenerkrankungen“ beschrieben, kann auch bei Hepatitis die Absorption von Eiweißabbauprodukten durch fermentierbare Kohlenhydrate reduziert werden.

take home

Bei Leber- und Nierenerkrankungen ist die richtige Diät ein essenzieller Teil der Therapie. Oft ist es nötig, die Diät dem Verlauf der Erkrankung und dem klinischen Bild des Patienten anzupassen. Werden kommerzielle Diäten nicht akzeptiert oder nicht vertragen, können hausgemachte Rezepte Alternativen sein. Auch auf die Empfehlung von geeigneten Belohnungen darf nicht vergessen werden.

Literatur bei der Autorin
Foto: © istockphoto.com| TheCrimsonMonkey

Stichwörter:
Niereninsuffizienz, Phosphorgehalt, Phosphatbinder, glomeruläre Filtrationsrate, Hyperparathyreodismus, Präbiotika, Hepathopathien, Zinksulfat, Zinkglukonat, Zinkacetat, Hepatoezephalopathie,

HKP 6 / 2014

Diese Artikel wurden veröffentlicht in Ausgabe HKP 6 / 2014.
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Der Autor:

Dr. Birte Reinhold, ICHTHYOL-GESELLSCHAFT
„Endlich hat sich hundkatzepferd zum Fachmagazin für den Tierarzt entwickelt. In der Ausgabe 03/12 fielen neben informativen Neuigkeiten aus dem Praxisbereich und den lustigen Nachrichten aus der Tierwelt viele anspruchsvolle und praxisrelevante Fachartikel in einem ungewöhnlich anschaulichen und erfrischenden Design auf. Auch ein Fachmagazin kann unterhaltsam sein und taugt somit auch nach einem anstrengenden Arbeitstag noch zur Feierabendlektüre im Gartenstuhl. Gefällt mir!“
Prof. Dr. Arwid Daugschies, Universität Leipzig, Veterinärmedizinische Fakultät – VMF
„hundkatzepferd serviert dem Leser den aktuellen Wissensstand in leicht verdaulicher Form. In Zeiten einer erdrückenden Informationsflut tut es gut, wenn solides Wissen auch in erfrischend entspannter Art angeboten wird.“
Dr. Anja Stahn ( Leitung der Geschäftseinheit VET in Europa und Middle East bei der Alere )
Die hundkatzepferd begleitet mich nun schon seit einigen Jahren. Nach wie vor begeistern mich
die Aufmachung, der fachliche und informative Inhalt sowie und die beeindruckenden Fotos des
Fachmagazins. Ganz deutlich ist seit einigen Monaten eine noch stärkere Ausrichtung auf die Belange
und Interessen der Tierärzteschaft zu erkennen. Dies ist sehr erfreulich. Das Magazin gehört in jede
Praxis und sollte unterhaltsame „Pflichtlektüre“ für das ganze Praxisteam sein.